Der Norddeutsche Bund. 249
aber selbstverständlich nicht von einer doktrinären Er-
örterung, sondern wohl nur von dem Einflusse neuer
politischer Momente zu erwarten, ganz besonders von
dem zukünftigen Beitritte der süddeutschen Staaten,
durch welchen die Bundesorganisation auch dem mäch-
tigsten Verbündeten gegenüber erst zu wirklicher Selb-
ständigkeit gelangen würde.
Eine fernere auffällige Erscheinung ist die Bildung
des Bundesraths.. Nach dem Vorbilde anderer Unions-
verfassungen erwartet man wohl, dass die Stelle unseres
Bundesraths durch ein Kollegium ausgefüllt sei, welches,
wie ein bundesstaatlicher Senat, obschon in anderen
Formen gewählt, doch bezüglich der politischen Grund-
lage mit dem Volkshause, hier dem Reichstage, überein-
stimme, d. h. durch ein Kollegium von Männern, welche
allein in ihrer Ueberzeugung das Motiy politischen Han-
delns zu suchen haben. Statt dessen sehen wir im
Bundesrathe eine Versammlung von Delegirten der Re-
gierungen, welche ihrer Stellung nach angewiesen sind,
aus dem Willen ihrer Mandanten, d. h. der Regierungen
der Einzelstaaten heraus zu handeln. Und doch wider-
spricht auch diese Einrichtung nicht dem Begriffe des
Bundesstaats. Eine unmittelbare Theilnahme der Ein-
zelstaaten als solcher an der gemeinsamen Arbeit des
Bundes, d. h. an der Verwaltung der von ihnen dem
Bunde übertragenen Hoheitsrechte, empfiehlt sich aus
vielerlei Rücksichten, ganz besonders da, wo, wie in
Deutschland, die Union das schon für unlösbar gehaltene
Problem zu lösen hat, eine Mehrzahl altbegründeter
monarchischer Staaten zu dieser Staatsgemeinschaft