Full text: Grundzüge des Deutschen Staatsrechts.

Der Norddeutsche Bund. 251 
Die Bundesgewalt ist eine wirkliche und zwar 
souveraine Staatsgewalt. In ihrem Kompetenzkreise übt 
sie eine unmittelbare Staatsherrschaft aus, sie regiert 
gesetzgebend, verordnend, verwaltend. Aber die Wil- 
lensmacht der Bundesgewalt erstreckt sich nicht wie die 
des Einzelstaats auf alle Ziele, welche der Staatszweck 
überhaupt mit sich bringen kann, vielmehr ist sie durch 
die Bundesverfassung auf bestimmte einzelne Theile des 
Staatslebens beschränkt. Insofern sie nur innerhalb 
dieses positiv geordneten Kompetenzkreises besteht, ist 
sie eine fragmentarische Staatsgewalt. Das Subjekt 
dieser Bundesstaatsgewalt ist der Bund, d. h. eine Ideal- 
persönlichkeit des öffentlichen Rechts, welche in dem in 
einer Reihe von Einzelstaaten gruppirten norddeutschen 
Volke seine natürliche Grundlage hat. Der Bund ist 
eine einheitliche politische Persönlichkeit, nicht eine zu- 
sammengesetzte, d. h. nicht eine blosse Summirung 
verbundener Einzelsouverainetäten. Das Subjekt der 
Bundesgewalt sind nicht die norddeutschen Einzelstaaten 
in vertragsmässiger Gemeinschaft, sondern eine hiervon 
verschiedene selbständige ideale Persönlichkeit, und die 
Einzelstaaten kommen ihr gegenüber nur als ein aller- 
dings sehr bedeutendes Element ihrer volklichen Grund- 
lage in Anrechnung. Dieser Auffassung entspricht auch 
die Art der Entstehung des Bundes; ein ursprünglicher 
Vertrag der Regierungen hat nach der Ansicht der Kon- 
trahenten durch Verabschiedung mit den Vertretern des 
norddeutschen Volks in selbständiges, d. h. nicht mehr 
auf dem Willen der einzelnen Kontrahenten beruhendes 
Verfassungsrecht verwandelt werden sollen; und diess
	        
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