20 Erster Abschnitt.
künstliche und mechanische Zusammenfassung vieler
Einzelwillen, sondern die sittliche Gesammtkraft des
selbstbewussten Volks. Ihre Existenz und Natur beruht
Er besteht vielmehr für sich, und zwar nicht als eine bloss be-
griffliche Erscheinung, sondern als ein auf natürlicher Grundlage,
nämlich dem Volke, beruhendes Wesen; es wird ihm nicht künst-
lich ein fremdartiger Wille anfingirt, sondern er hat seinen eige-
nen Willensinhalt in dem sittlichen, auf das staatliche Leben ge-
richteten Geiste seines Volks. Diese Willensmacht ist etwas an
und für sich Existirendes, ist eine Realität, und daher der wissen-
schaftlichen Bestimmung zugänglich. Sie ist auch nicht bloss eine
geistige Substanz, welche auf die Entschlüsse des Monarchen be-
stimmend einwirkt, sondern die ganze Staatsverfassung mit allen
ihren Institutionen ist darauf berechnet, ihr eine allseitige Lebens-
äusserung zu sichern. Unter diesen Institutionen ist nun eine,
welche vor Allem die Aufgabe hat, ihre praktische Erscheinung
zu vermitteln: das Recht des Monarchen, in dessen persönlicher
That die Staatsgewalt selbst als handelnd gedacht wird. Hieraus
ergiebt sich von selbst die Aufeinanderfolge der Stoffe, welche
die Wissenschaft in systematischem Fortschritte zu ergreifen hat.
An die Darstellung der dynamischen Existenz der Staatsgewalt
an sich schliesst sich die Darstellung der Grundsätze über die Art
ihres konkreten Hervortretens im Monarchen. Das Monarchen-
recht ist hiernach das Recht, oberstes Organ des Staats zu sein;
es setzt die Existenz des Staats voraus, hat in ihm seine Stätte.
Ohne diese Konstruktion verliert das Monarchenrecht seine eigent-
liche Unterlage und seinen geistigen Zusammenhang; es wird zu
einer Figur, die man aus dem Bilde herausgeschnitten und Beines
Hintergrunds beraubt hat. Ohne diese Auffassung wird es nicht
möglich, die wichtigen Fragen über die rechtliche Kontinuität des
staatlichen Rechts bei der Thronfolge, beim Eintritt einesZwischen-
herrschers, ja die wahre Natur der Thronfolge selbst zu begreifen.
Und keine der erhobenen Einwendungen ist in Wahrheit irgend-
wie entscheidend; dem wenig wiegenden Einwande, es würden da-
mit zwei Staatsgewalten, eine des Staats und eine des Monarchen,
aufgestellt, wird durch die hier gegebene Darlegung des gegen-
seitigen Verhältnisses beider Begriffe begegnet; die Ansicht, dass
diese Auffassung auf dem Prinzipe der Volkssouverainetät beruhe,
ist ebenso falsch, als es die Ansicht sein würde, dass die entgegen-
gesetzte Auffassung zu dem Prinzipe des Despotismus führe;