Full text: Grundzüge des Deutschen Staatsrechts.

8.7. Allgemeiner Charakter der Staatsgewalt. 21 
nicht auf einer willkürlichen Bestimmung und über- 
legten Schöpfung, sondern sie ist eine Naturkraft, welche 
im Staate, als der wichtigsten Socialform der Mensch- 
heit, ursprünglich enthalten ist.” Die rechtliche Aeus- 
serung der Staatsgewalt ist das Herrechen. Diess be- 
deutet eine für die Aufgaben der staatlichen Verbindung 
wirksame Willensmacht, welcher das ganze Volk in allen 
seinen Gliedern unterworfen ist.? Ihr Erfolg, auch 
dem innerlich Widerstrebenden gegenüber, beruht darauf, 
die Ansicht endlich, dass unsere Auffassung den Monarchen zum 
„Beamten‘ degradire, oder unter den Begriff des gewöhnlichen 
Repräsentanten einer Korporation bringe, wird unten durch die 
Fassung des Monarchenrechts ihre Widerlegung erhalten. 
2 Richtig Stahl, Rechts- u. Staatslehre, 2. Abth. S. 143. Es 
liegt nicht in der Aufgabe der juristischen Betrachtung des 
Staats, die gesammte Physiologie desselben zu entwickeln. Diese 
Aufgabe fällt der philosophischen Ethik anheim und ihre Lösung 
wird hier als gegeben vorausgesetzt. Uebrigens kann es nach dem 
Texte nicht zweifelhaft sein, welcher der vielen Theorieen über 
den Ursprung und Rechtsgrund der Staatsgewalt der Verfasser 
beitritt. Zum Ausgangspunkte der rechtlichen Betrachtung ge- 
nügt es, zu sagen, die Staatsgewalt ist der Allgemeinwille des 
Volks als ethischen Ganzen für die Zwecke des Staats, in den 
Mitteln und Formen des Staats. 
3 Die Willenskraft des Staats ist nicht wie die privatrecht- 
liche absolut und individueller Willkür preisgegeben, sondern er- 
hält ihre Richtung und Gränze durch den ethischen Grund ihres 
Daseins. Daraus erklärt sich denn auch die besondere Art der 
staatlichen Willenswirkung, das Herrschen, welchem eine Un- 
terwerfung im Sinne eines Gehorsams gegen die allgemeine Rechts- 
ordnung entspricht. Jedoch ist dem Staate deshalb das Gebiet 
des privatrechtlichen Wollens nicht verschlossen, und es kann diess 
gar nicht sein, weil er zu seiner materiellen Ausstattung des Ein- 
tritts in den privatrechtlichen Verkehr bedarf. Aber es darf nie 
vergessen werden, dass der Staat in dieser Beziehung, nämlich als 
Fiscus, nicht in seiner charakteristischen Wesenheit auftritt, son- 
dern nur in einer Nebeneigenschaft, welche er zur Unterstützung 
seiner prinzipalen Lebensaufgabe bedarf.
	        
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