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8 Zur Einführung
z. B. Deutschland und Spanien unter Karl V. Eine solche Ver-
bindung von Staaten heißt Personal--Union; sie zerfällt,
sobald infolge einer Verschiedenheit der Erbfolgeordnungen in den bis-
her vereinigten Ländern verschiedene Herrscher zur Regie-
rung kommen. Ein solcher Fall trat im Jahr 1891 im Ver-
hältnis der Niederlande zu Luxemburg ein, als König Wil-
helm III. ohne männliche Nachkommen starb, weil für Lu-
remburg damals noch das salische Gesetz (s. Nr. 13) galt.
Bestimmt dagegen ein Staatsgrundgesetz, daß mehrere Staa-
ten ständig unter dem gleichen Herrscher vereinigt bleiben sollen (wie
3. B. in Oesterreich-Ungarn), so spricht man von Real-Union.
Mehrere Staaten können sich ferner durch Verträge zusammen-
schließen derart, daß die Einzelstaaten ihre Selbständigkeit und Sou-
veränität ganz oder doch fast ganz behalten; eine solche völkerrecht-
liche Vereinigung (z. B. der Deutsche Bund von 1815 bis 18660) heißt
Staatenbund. Erfolgt dagegen ein engerer, dauernder Zu-
sammenschluß in der Weise, daß die Einzelstaaten einen erheblichen
Teil ihrer Souveränität abgeben an den Gesamtstaat, der alsdann
eine eigene Souveränität, eigene Gesetzgebung und eigene Behörden
besitzt, so entsteht ein Bundesstaat. Dieser Staatsform gehören
das jetzige Deutsche Reich, die Vereinigten Staaten von Nordamerika
und die Schweiz an.
d. Welches ist die beste Staatsform?
Diese Frage drängt sich bei Betrachtung der einzelnen Staatsfor-
men einem jeden unwillkürlich auf; und doch. ist ihre Beantwortung,
wenn sie so allgemein gestellt wird, nicht möglich. So wenig es
nämlich denkbar ist, ein Kleid zu fertigen, das für jedermann, in
jedem Lebensalter, zu jeder Jahreszeit und in jedem Klima paßt,
ebensowenig kann eine Staatsform gefunden werden, die für jedes
Volk, sei es geistig, wirtschaftlich und politisch gering oder hoch
entwickelt, die richtige genannt werden könnte. Alles kommt hier auf
den Charakter, die Geschichte, die Sitten und den Entwicklungs-
zustand eines Volkes an. Das schweizerische Volk z. B., welches von
altersher gewohnt ist, seine Geschicke selbst zu lenken, würde sich
unter jeder anderen als der republikanischen Staatsform unglücklich
fühlen. Anderseits würde England, obwohl eines der freiheit-
liebendsten und politisch geschultesten Völker, niemals auf sein ange-
stammtes Königtum verzichten wollen. Sollte es sich anders ver-
halten beim deutschen Volke, das mit seinen Fürstenhäusern durch
die Geschichte vieler Jahrhunderte verbunden ist?
Wenn die Menschen alle selbst ideal veranlagt wären, wenn sie
ihre eigenen Interessen und diejenigen ihrer Partei stets der Rück-