Full text: Bürgerkunde.

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20 Das Staatsrecht des Reichs 
tag (das ist die Vertretung des deutschen Volkes). Dur ch Mehr— 
heitsbeschlüssev dieser beiden Körperschaften, 
von denen noch später eingehender die Rede sein wird, kommen 
die Reichsgesetze zustande. Jeder Gesetzentwurf gelangt, 
nachdem ihm der Reichstag zugestimmt hat,1% nochmals an den Bun- 
desrat, auch wenn von diesem die Vorlage ausgegangen war. Der 
Bundesrat erteilt sodann dem Gesetze, wenn er seine Zustimmung 
zu demselben nicht zurückziehen will, die sog. Sanktion, indem 
er es dem Kaiser zur weiteren Behandlung übergibt. Dieser prüft 
zunächst, ob das Gesetz ordnungsgemäß zustande gekommen ist,1 fer- 
tigt es hierauf aus (d. h. er unterzeichnet die den vollständigen Wort- 
laut des Gesetzes enthaltende Urkunde und läßt den Abdruck des kaiser- 
lichen Siegels, das Datum und die Gegenzeichnung des Reichs- 
kanzlers, s. Nr. 16, beifügen) und veranlaßt die Verkündigung im 
Reichsgesetzblatte. 
Die Verordnungen, d. h. die zur Ausführung der Reichs- 
gesetze dienenden näheren Vorschriften, werden entweder vom Bundes- 
rat oder vom Kaiser, vom Reichskanzler, von den Reichsbehörden 
oder von den Regierungen der Einzelstaaten erlassen.3 
2. Die Wirkung der Reichsgesetze. 
Jedes Reichsgesetz tritt, wenn in ihm selbst kein anderer Anfangs- 
termin bestimmt ist, in Kraft mit dem 14. Tage nach Ablauf des- 
jenigen Tages, an dem das betreffende Reichsgesetzblatt in Berlin 
ausgegeben worden ist. 
* Diese Regel, daß zur Annahme von Reichsgesetzen einfache Stimmen- 
mehrheit genügt, erleidet jedoch für die Abstimmungen im Bundesrat mehr- 
fache Ausnahmen, nämlich in den Fällen, in denen Preußen das sog. Veto 
zusteht, ferner bei Aenderungen der Verfassung (diese gelten als abgelehnt, 
wenn im Bundesrat 14 Stimmen dagegen sind), und endlich, wenn es sich 
Um Abänderungen sogenannter Reservatrechte handelt. Näheres siehe Nr. 75. 
1% Wegen des Zustandekommens der Gesetzentwürfe und ihrer Behand- 
lung im Bundesrat und Reichstag siehe Nr. 70 und 98. 
½ Das sogenannte Veto besitzt der Kaiser nicht. Siehe Nr. 64. 
½ Der Eingang der Reichsgesetze lautet: „Wir, Wilhelm, von 
Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen usw., verordnen im 
Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des 
Reichstags, was folgt:“. # » 
Auf das in Berlin erscheinende Reichsgesetzblatt kann jeder— 
mann bei der Post abonnieren. 
Die Verordnungen und Bekanntmachungen des Reichs werden in 
dem in Berlin erscheinenden „Zentralblatt für das Deutsche 
Reich“ veröffentlicht; daneben bestehen aber noch für einzelne. Zweige der 
Reichsverwaltung besondere Verordnungsblätter, so z. B. für die Post= und 
Telegraphenverwaltung und für die Kriegsflotte.
	        
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