Full text: Bürgerkunde.

Der Kaiser 23 
Kaiser“'#s führt. Die Kaiserwürde ist also mit der preußischen 
Königswürde untrennbar verbunden derart, daß der jeweilige König 
von Preußen stets zugleich Deutscher Kaiser ist. Für den Fall einer 
Verhinderung des Königs von Preußen an der Ausübung der Regie- 
rung ist dessen verfassungsmäßiger Vertreter von selbst auch zur 
Vertretung des Kaisers im Reiche berufen. Da ferner die preußische 
Königswürde im preußischen Königshause der Hohenzollern erblicht 
ist, so ist auch das deutsche Kaisertum eine erbliche Würde. 
Nach der Reichsverfassung steht dem Kaiser „das Präsidium des 
Bundes“ zu, während die oberste Reichsgewalt bei der Gesamtheit der 
verbündeten Regierungen, dem Bundesrate, ruht. Gleichwohl ist der 
Kaiser doch weit mehr als der bloße Präsident dieser Regierungen; 
vielmehr stehen ihm eine Reihe schwerwiegender Befugnisse zu, welche 
Sicherheit dafür bieten, daß die kaiserliche Macht nie mehr zu einem 
bloßen Schattenbild herabsinken kann, wie es im ehemaligen Deut- 
schen Reiche geschah. 
Zunächst vertritt der Kaiser allein das Reich nach außen; in 
seiner Hand also liegt die ganze äußere Politik; er ist es, der im 
Namen des Reiches Krieg erklärt 2° und Frieden schließt, Bündnisse 
1½ Der Kaiser führt ein besonderes kaiserliches Wappen und 
eine besondere kaiserliche Standarte. Einkünfte (eine sog. Zi- 
villiste oder Dotation) bezieht er vom Reiche nicht; vielmehr bestreitet 
er die Kosten der Repräsentation aus der ihm als preußischem König zu- 
stehenden Zivilliste; doch wird ihm vom Reich im Etatsgesetze alljährlich 
ein sog. Dispositionsfonds zu staatlichen Zwecken, besonders zu 
Gnadenbewilligungen, zur Verfügung gestellt. 
Der Thronfolger führt den Titel „àKronprinz des Deutschen 
Reiches und von Preußen". Bei der Anrede kommt dem Kaiser 
die Bezeichnung „Majestät“, dem Kronprinzen die Bezeichnung „Kai- 
serliche Hoheit“ zu. 
½ Zur Thronfolge sind in Preußen nur berufen die sog. 
Agnaten, d. h. solche Familienmitglieder, deren Verwandtschaft mit 
dem letzten Herrscher ausschließlich durch Männer vermittelt worden ist; 
nicht erbfolgeberechtigt sind also diejenigen, deren Verwandtschaft durch 
eine Frau vermittelt wurde, die sogenannten Kognaten (3. B. die Söhne 
einer Tochter des letzten Herrschers). Es herrscht ferner in Preußen wie in 
allen deutschen Staaten die sog. Linealerbfolge: Die zunächst zur 
Erbfolge berufene Linie wird gebildet aus den Söhnen des letzten Herr- 
schers und deren Nachkommen; erst wenn erbberechtigte Mitglieder dieser 
Linie überhaupt nicht vorhanden sind, geht die Erbfolge auf den jüngeren 
Bruder des letzten Herrschers oder auf dessen Abkömmlinge über usw. 
Innerhalb einer Linie gilt das Recht der Erstgeburt (sog. 
Primogenitur). Endlich sind Frauen von der Thronfolge ausgeschlos- 
sen (sog. salisches Gesetz, Nr. 18). 
“ Zur Kriegserklärung bedarf der Kaiser jedoch der Zustim- 
mung des Bundesrats dann, wenn sie nicht durch einen Angriff auf das 
Reichsgebiet verursacht ist. 
Der Kaiser kann ferner jeden Teil des Reichsgebiets (abgesehen 
von Bayern) nicht nur im Kriege, sondern, wenn die öffentliche Sicher- 
61 
62
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.