Verfassung. § 35. 101
Armenunterstützungen, die in dem der Wahl vorhergehenden
Kalenderjahr, aber nicht innerhalb der letzten 12 Monate vor der
Wahl gewährt wurden, bleiben außer Betracht, Reichst Drucks Nr 286
von 1897/98.
6. Aus § 69 Abs 4 des Elementarschulgesetzes, vol mit § 5
dieses Gesetzes und mit den dazu im KommBer der zweiten Kammer
z Ges vom 25. Juli 1888 gegebenen Erläuterungen (IV. BeilHeft
S 394, 412), ist zu entnehmen, daß von der Behandlung als Armen-
unterstützung zwar die Befreiung von der Zahlung des Volksschul-
geldes, aber nicht auch die an einen Bedürftigen im Einzelfalle aus
öffentlichen Mitteln erfolgende unentgeltliche Lieferung der Unter-
richtsmittel, dh der Bücher und sonstigen Materialien, ausgeschlossen
werden sollte. Für die Reichstagswahlen ging die Regierung zwar
schon seither davon aus, daß im Hinblick auf die im übrigen Reichs-
gebiet maßgebend gewordene Praxis diese landesgesetzliche, mit den
derzeitigen sozialpolitischen Anschauungen nicht mehr im Einklang
stehende Bestimmung nicht anzuwenden sei, wenn es sich um die Aus-
legung der ähnlichen Vorschrift des § 3 Ziff 3 des ReichstWG vom 31.
Mai 1869 handelt. Die jetzige Fassung bestimmt nun ganz allgemein,
daß nicht bloß die Befreiung von der Schulgeldzahlung, sondern auch
die aus öffentlichen Kassen erfolgende Beschaffung der Unterrichts-
mittel auch dann, wenn an sich die Voraussetzungen der Armen-
unterstützung gegeben wären, als eine solche Unterstützung im Sinne
der wahlgesetzlichen Bestimmungen nicht zu betrachten sei. Diese
Vorschrift geht über das in § 69 Abs 4 des Elem Unterr G Bestimmte
namentlich auch insofern hinaus, als der dortige Grundsatz nunmehr
verfassungsrechtlich gewährleistet, und auf alle durch öffentliche Ge-
meinschaften unterhaltenen Unterrichtsanstalten, also auch die Fach-,
Mittel= und Hochschulen, ausgedehnt wird. Reg Begr S 21/22.
7. Zur Begründung dieser durch das Ges vom 24. August 1904
neu eingeführten Bestimmung wird in der RegBegr S 22 bemerkt:
„Wenn nunmehr der Inhalt der Wahlberechtigung, die bis
jetzt bloß die Befugnis zur Bezeichnung eines Wahlmanns gab, in
Zukunft aber das Recht zur unmittelbaren Bezeichnung des Ab-
geordneten geben soll, wesentlich erweitert wird, erschien es an-
gemessen, daß die Befugnis zur Ausübung dieses bedeutungsvollen
öffentlichen Rechts in eine engere Verbindung mit der Erfüllung
der öffentlichen Pflicht zur direkten Steuerzahlung gebracht wird.
Dabei konnte die Einführung eines Zensus, wobei die Wahlberechti-
gung an die Voraussetzung der Steuerzahlung in bestimmten
Mindestbeträgen geknüpft wäre, nicht in Frage kommen. Ebenso