Verfassungsurkunde. VI. Kapitel. 123
VI. Kapitel.
Von dem Berhältnisse der Kirchen zum Staate.
Vorbemerkungen:
1. Für das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen zieht die
Verfassungsurkunde im sechsten Kapitel Grundlinien, die dem da—
maligen Zeitgeist entsprechend von staatskirchlichen Anschau—
ungen beherrscht sind. Vorangestellt sind in den §8 70—74 allge-
meine Grundsätze für die anerkannten drei christlichen Kirchen; so-
dann werden besondere Direktiven gegeben in §§ 75—77 für die
evangelisch-lutherische Kirche, in 8§§ 78—82 für die
katholische Kirche und in § 83 für die reformierten
Kirchengemeinden; angeschlossen ist in § 84 eine Zusicherung
zugunsten der Unterrichtsanstalten.
2. Wie in Württemberg allmählich die Unabhängigkeit der bür-
gerlichen und staatsbürgerlichen Rechte von dem Glaubensbekennt-
nis durchgeführt wurde, ist zu § 27 ausgeführt.
3. Mit Stillschweigen übergeht die Verfassungsurkunde die
rechtlichen Verhältnisse der Israeliten: die Landes-
gesetzgebung hat jedoch die sog. i sraelitische Kirche als
öffentliche Korporation anerkannt und ihre Organisation in die
Hand genommen. Maßgebend sind die noch gültige dritte Abtei-
lung des Gesetzes vom 25. April 1828, betr. die öffentlichen Rechts-
verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen, in Verbindung mit
dem Gesetz vom 23. Dezember 1873, und die K. Verordnungen vom
27. Oktober 1831 und vom 25. März 1851, sowie die Ministerial-
verfügung vom 3. August 1832, betr. die kirchliche Einteilung der
Israeliten des Königreichs.
Jeder im Königreich ansäßige Israelite ist Genosse einer israe-
litischen Kirchengemeinde, deren es zurzeit 52 sind, eingeteilt in
13 Rabbinate. Jede Gemeinde hat ihren Kirchenvorsteher und ihre
Synagoge, ferner einen von der Gemeinde zu ernennenden, vom
Staate zuvor geprüften Vorsänger, der in der Regel auch das Amt
des Schullehrers versieht. Mit dem Gottesdienst wechselt der Rab-