Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1855. (46)

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S. 16. 
Wenn ein Rechtsgeschäft, welches auf gegenseitige Leistungen gerichtet 
ist, zur Zeit der Konkurseröffnung von beiden Theilen noch überhaupt nicht 
oder noch nicht vollständig erfüllt isi, so hat die Glädubigerschaft das Recht, 
nicht aber die Verpflichtung, an Stelle des Gemeinschuldners das Geschäft zu 
übernehmen. 
Will die Glaubigerschaft das Geschäft übernehmen, so muß dasselbe von 
beiden Theilen vollständig erfüllt werden, sofern nicht erwa der Mikkontrahent 
des Gemeinschuldners wegen der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Ver- 
aͤnderung der Umstände befugt ist, auf Grund der allgemeinen gesetzlichen Be- 
stimmungen das Geschäft aufzuheben. « 
quikt die Glaͤubigerschaft in das Geschaͤft nicht ein, so muß dem Mit- 
kontrahenten des Gemeinschuldners das von ihm Geleistete, soweit es in der 
Konkursmasse noch vorhanden ist, zuruͤckgegeben werden; im Uebrigen steht ihm 
nur ein Anspruch auf Entschaͤdigung zu. 
Das Konkursgericht hat auf Anrufen des Mitkontrahenten die Frist zu 
bestimmen, innerhalb welcher der Verwalter der Masse die Erklaͤrung uͤber den 
Eintritt in das Geschaͤft abzugeben hat. Erfolgt die Erklaͤrung innerhalb der 
bestimmten Frist nicht, so wird angenommen, daß die Glaͤubigerschaft in das 
Geschaͤft nicht eintreten will. 
S. 17. 
Wenn von dem Gemeinschuldner Kauf= oder Lieferungsgeschäfte über 
fungible Sachen, welche einen marktgengigen Preis haben, oder über geld- 
werthe Papiere dergesalt geschlossen worden sind, daß sie erst nach der Kon- 
kurseröffnung zur Erfüllung kommen sollen, so kann weder von der Glaubiger= 
schaft, noch von dem Mitkontrahenten des Gemeinschuldners Erfüllung gefor- 
dert werden, sondern es findet aus dem Geschäft nur ein Anspruch auf Ent- 
schädigung statt. Dieser Anspruch bestimmt sich nach der Differenz, welche an 
dem kontraktlichen Erfüllungskage zwischen dem Kontraktspreise und dem Markt- 
preise oder dem Börsenkurse sich ergiebt. 
* 
Bestehende Miethkontrakte des Ge einschuldners gehen auf die Glädu= 
bigerschaft über; dieselbe ist jedoch berechtigt, die Kontrakte noch vor dem Ab- 
laufe der festgesetzten Miethzeit aufzukündigen. Bei der Aufkündigung ist die 
esetzliche Frist zu beobachten; ist kontraktlich eine kürzere Frist bestimmt, so 
ommt diese zur Anwendung. 
Eine Inchung des Cmeinschuldners wird von der Gläubigerschaft fort- 
gesetzt; jedoch kann nach dem Ablaufe des Wirthschaftsjahres, in welches die 
Konkurseröffnung fällt, sowohl die Gldubigerschaft, als der Verpächter von 
dem Kontrakt unter Beobachtung der gesetzlichen Aufkündigungsfrist zurücktreten. 
Bei Vermiethungen und Verpachtungen des Gemeinschuldners tritt die 
Gläubigerschaft lebigli0h an die Stelle desselben. Eine Aufkündigung des Kon- 
trakts ist nur nach Maaßgabe der allgemeinen gesetzlichen Beslimmungen zu- 
Johrgong 1855. (Nr. 4222.) 45 laͤssig;
	        
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