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g. 22.
Der Gutsübernehmer ist verpflichtet, seine Miterben zu erziehen und ihnen bis
zum vollendeten fünfzehnten Jahre Einsitz und angemessenen Unterhalt zu gwähren
Dieser Anspruch erlischt, wenn ihnen auf Verlangen ihres gesetzlichen Vertreters
ihre Abfindung mit vier Prozent verzinst oder ausbezahlt wird. Die Auszahlung
kann jedoch vor eingetretener Großjährigkeit oder Verheirathung nur verlangt
werden, wenn der Rürrbe das Landgut zur Wahl eines anderweiten Lebens-
berufes verläßt.
Auch nach vollendetem fünfzehnten Jahre behalten die Miterben das Recht des
Einsitzes bis zur erlangten Großjährigkeit oder früher eintretenden Verheirathung.
Gebrechlichen und kranken Miterben hat der Gutsübernehmer im Bedürfniß-
falle bis zu ihrem Tode, sofern sie nicht die Auszahlung ihrer Abfindung ver-
langen, Einsitz, Kost und Verpflegung zu gewähren. So lange sie von diesem
Rechte Gebrauch machen, findet eine Verzinsung der Abfindung nicht statt. Haben
sie von diesem Rechte bis zu ihrem nach erlangter Großjährigkeit erfolgten Tode
Gebrauch gemacht und weder einen erbberechtigten Ehegatten noch Kinder hinter-
lassen, so erlischt ihr Anspruch auf Abfindung zu Gunsten des Gutsübernehmers.
Der Familienrath ist befugt, die im Absatz 1 bis 3 bestimmten Verpflich-
tungen des Gutsübernehmers zu erhöhen oder herabzusetzen.
g. 23.
Im Geltungsbereiche der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 ersetzt der
Beschluß des Familienrathes in gerichtlicher Ausfertigung die Auflassung. Die
Betheiligten können verlangen, daß ihre Ansprüche gegen den Gutsübernehmer
(55. 21, 22, 28) durch Eintragung im Grundbuche sichergestellt werden.
Im Bezirke des Amtsgerichts Vöhl bildet der Beschluß des Familienrathes
in gerichtlicher Ausfertigung einen zur Eintragung in das Mutationsverzeichniß
geeigneten Erwerbstitel. Den Betheiligten steht wegen ihrer Abfindungen ein
gesetzlicher Hypothekentitel zu, welcher auf deren Verlangen einzutragen ist.
K. 24.
Wenn das Landgut sich im Miteigenthum der Ehegatten befindet, so ver-
bleibt die Verwaltung dem längstlebenden Ehegatten, und erst bei dessen Tode
erfolgt die Bestimmung des Gutsübernehmers.
Der längstlebende Ehegatte ist jedoch befugt, mit Zustimmung der Erben
des verstorbenen Ehegatten, eventuell des Familienrathes (G. 14 beziehungsweise
S. 15 ff.) das Landgut schon bei Lebzeiten auf einen der gemeinschaftlichen
Nachkommen zu übertragen.
Im Uekugen kann das Miteigenthum zwischen dem längstlebenden und den
Kindern als Erben des verstorbenen Ehegatten nur mit gegenseitiger Zustimmung
(r. 9224.)