Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1887. (78)

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g. 22. 
Der Gutsübernehmer ist verpflichtet, seine Miterben zu erziehen und ihnen bis 
zum vollendeten fünfzehnten Jahre Einsitz und angemessenen Unterhalt zu gwähren 
Dieser Anspruch erlischt, wenn ihnen auf Verlangen ihres gesetzlichen Vertreters 
ihre Abfindung mit vier Prozent verzinst oder ausbezahlt wird. Die Auszahlung 
kann jedoch vor eingetretener Großjährigkeit oder Verheirathung nur verlangt 
werden, wenn der Rürrbe das Landgut zur Wahl eines anderweiten Lebens- 
berufes verläßt. 
Auch nach vollendetem fünfzehnten Jahre behalten die Miterben das Recht des 
Einsitzes bis zur erlangten Großjährigkeit oder früher eintretenden Verheirathung. 
Gebrechlichen und kranken Miterben hat der Gutsübernehmer im Bedürfniß- 
falle bis zu ihrem Tode, sofern sie nicht die Auszahlung ihrer Abfindung ver- 
langen, Einsitz, Kost und Verpflegung zu gewähren. So lange sie von diesem 
Rechte Gebrauch machen, findet eine Verzinsung der Abfindung nicht statt. Haben 
sie von diesem Rechte bis zu ihrem nach erlangter Großjährigkeit erfolgten Tode 
Gebrauch gemacht und weder einen erbberechtigten Ehegatten noch Kinder hinter- 
lassen, so erlischt ihr Anspruch auf Abfindung zu Gunsten des Gutsübernehmers. 
Der Familienrath ist befugt, die im Absatz 1 bis 3 bestimmten Verpflich- 
tungen des Gutsübernehmers zu erhöhen oder herabzusetzen. 
g. 23. 
Im Geltungsbereiche der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 ersetzt der 
Beschluß des Familienrathes in gerichtlicher Ausfertigung die Auflassung. Die 
Betheiligten können verlangen, daß ihre Ansprüche gegen den Gutsübernehmer 
(55. 21, 22, 28) durch Eintragung im Grundbuche sichergestellt werden. 
Im Bezirke des Amtsgerichts Vöhl bildet der Beschluß des Familienrathes 
in gerichtlicher Ausfertigung einen zur Eintragung in das Mutationsverzeichniß 
geeigneten Erwerbstitel. Den Betheiligten steht wegen ihrer Abfindungen ein 
gesetzlicher Hypothekentitel zu, welcher auf deren Verlangen einzutragen ist. 
K. 24. 
Wenn das Landgut sich im Miteigenthum der Ehegatten befindet, so ver- 
bleibt die Verwaltung dem längstlebenden Ehegatten, und erst bei dessen Tode 
erfolgt die Bestimmung des Gutsübernehmers. 
Der längstlebende Ehegatte ist jedoch befugt, mit Zustimmung der Erben 
des verstorbenen Ehegatten, eventuell des Familienrathes (G. 14 beziehungsweise 
S. 15 ff.) das Landgut schon bei Lebzeiten auf einen der gemeinschaftlichen 
Nachkommen zu übertragen. 
Im Uekugen kann das Miteigenthum zwischen dem längstlebenden und den 
Kindern als Erben des verstorbenen Ehegatten nur mit gegenseitiger Zustimmung 
(r. 9224.)
	        
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