Contents: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

806 Strafbescheld. 
läuft, so können sie dieselbe der Staatsanwaltschaft überweisen oder zu weiteren Er- 
mittelungen schreiten, je nach deren Ergebniß sie entweder einen S. erlassen oder bei 
der Staatsanwaltschaft den Antrag auf gerichtliche Verfolgung stellen. Zum Zweck 
dieser Ermittelungen, eventuell zur Vorbereitung des S., können sie den Beschuldigten 
sowie Zeugen u. s. w. vorladen und vernehmen, nicht aber Zwangsmaßregeln gegen 
dieselben anwenden (vgl. jedoch für Preußen § 42 des Gesetzes vom 23. Januar 
1838), sondem nur deren Vernehmung durch den Amtsrichter beantragen. Unter 
Umständen kann ein S. auch ohne vorgängige Untersuchung und ohne Vernehmung 
des Beschuldigten erlassen werden. Ausgeschlossen ist der Erlaß eines solchen, wenn 
einer der Beschuldigten verhaftet ist oder wenn die Zuwiderhandlung gegen die Zoll- 
oder Steuergesetze mit anderen strafbaren Handlungen zusammentrifft (ogl. Preußen 
§ 33 des Gesetzes vom 23. Januar 1888, Mecklenburg § 43). — Giebt die 
Staatsanwaltschaft einem auf Strafverfolgung gerichteten Antrag der Verwaltungs- 
behörde nicht nach, so kann letztere selbst die Anklage erheben (§ 464 der StrafPO.) — 
Der zu erlassende S. muß enthalten: 1) die Straffestsetzung, 2) die Bezeichnung der 
strafbaren Handlung, der Beweismittel und des angewendeten Gesetzes, 3) die Er- 
öffnung über die zulässigen Rechtsmittel und die Art sie zu benutzen (§ 459 
A. 1 u. 2). Landesrechtlich kann noch Weiteres als nothwendiger Bestandtheil eines 
S. vorgeschrieben werden, z. B. Benachrichtigung über die Kosten des Verfahrens, 
auch Mittheilung der Entscheidungsgründe (vgl. z. B. für Preußen § 98 des Ge- 
setzes vom 8. Februar 1819 und § 253 des Anhanges zur allgemeinen Gerichts- 
Ordnung). In Preußen ist ferner die Mittheilung an den Angeschuldigten vor- 
geschrieben, daß er im Fall der Wiederholung seines Vergehens eine Erhöhung der 
Strafe zu erwarten habe (§8 94 des Gesetzes vom Februar 1819, § 45 des Gesetzes 
vom 23. Januar 1838). Die Unterlassung dieser Mittheilung zieht der mit der 
Publikation beauftragten Behörde eine Ordnungsstrafe von 5—10 Thalern zu. — 
Die Mittheilung des S. an den Verurtheilten geschieht entweder mündlich oder durch 
schriftliche Zustellung seitens der Verwaltungsbehörde, welche denselben erlassen hat, 
oder einer anderen landesrechtlich mit der Bekanntmachung betrauten. — Als Rechts- 
mittel gegen den S. find zulässig: a) Die Beschwerde resp. der Rekurs in Preußen, 
Württemberg, Baden, Mecklenburg, Bremen und in Bayern, 
wenigstens bezüglich der S. im Steuerstrafverfahren. Dieselbe muß an die vor- 
gesetzte Verwaltungsbehörde gerichtet werden und schließt den Antrag auf gerichtliche 
Entscheidung aus. b) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Für den Fall, daß 
von mehreren Verurtheilten verschiedene Rechtsmittel ergriffen würden, ist in 
Mecklenburg (§ 70) vorgeschrieben, daß die Entscheidung über die Beschwerde 
bis dahin auszusetzen ist, daß entweder der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu- 
rückgenommen, oder das gerichtliche Urtheil rechtskräftig geworden ist. 
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß binnen einer Woche nach der 
Bekanntmachung des S. bei der Behörde gestellt werden, welche denselben er- 
lassen oder ihn bekannt gemacht hat. Direkte Anbringung bei dem zuständigen 
Gericht ist nicht statthaft, weil, wie die Motive sagen (Hahn, S. 289), erfahrungs- 
gemäß die Beschuldigten oft über die Zuständigkeit des Gerichtes in Zweifel sind 
und durch Anbringung bei unzuständigen Gerichten leicht die achttägige Frist ver- 
säumen könnten. Gegen eine etwaige Versäumung ist ein Gesuch um Wiedereinsetzung 
in den vorigen Stand zulässig (§ 461), in Betreff dessen dieselben Vorschriften wie beie 
der polizeilichen Strafverfügung gelten. Jedoch kann dasselbe nicht beim Gericht, 
sondern nur bei den in § 459 genannten Verwaltungsbehörden angebracht werden, 
obwol ersterem die Entscheidung über die Annahme oder Verwerfung ausschließlich 
zusteht. Ist der Antrag mündlich oder schriftlich bei der zuständigen Verwaltungs- 
behörde gestellt, so muß diese ohne weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit oder Recht- 
zeitigkeit des Antrages die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes unter Ueber- 
sendung der entstandenen Akten davon in Kenntniß setzen. Die örtliche und sachliche
	        
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