Uerwegen. (November 20.—30.) 641
Kriegskonterbande führten. Die verschiedenen Maßregeln dieser Art haben
bewirkt, daß gleich anderen neutralen Handelsfahrzeugen auch die norwegischen
Seeleute, um überhaupt die notwendigen Zufuhren für Norwegen schaffen
zu können, Schutz darin gesucht haben und suchen, daß sie sich von Kriegs-
schiffen geleiten ließen, die Deutschlands Gegnern gehören. Die norw.
Regierung darf in Erinnerung bringen, daß sie in dem Memorandum an
die kaiserlich deutsche Regierung vom 20. Okt. 1916, das durch die Ver-
senkung norwegischer Fahrzeuge im Eismeer durch deutsche U-Boote ver-
anlaßt war, die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Regierung darauf gelenkt
hat, daß das norw. Volk jeden neuen Fall dieser Art, bei dem der Tod
norw. Seeleute verursacht worden ist oder bei dem deren Leben oder Ge-
sundheit Gefahren ausgesetzt worden sind, als eine Verletzung der Gesetze
der Menschlichkeit betrachtet. Die norw. Regierung darf daher nochmals
die deutsche Regierung ersuchen, darauf zu sehen, daß die deutschen U.Boot-
kommandanten das Leben norw. Seeleute keinen Gefahren aussetzen, seien
sie durch Unachtsamkeit oder durch salsche Beurteilung der Umstände ver-
ursacht. Es hat großen Eindruck auf das norw. Volk gemacht, daß die
deutschen U. Boote nicht allein fortgesetzt friedliche Handelsschiffe ohne
Rücksicht auf das Schicksal ihrer Besatzung versenken, sondern daß jetzt
auch deutsche Kriegsschiffe die gleiche Taktik ausgenommen haben. Die
norw. Regierung hat durch die gegenwärtige Note diesen Eindruck bei dem
norw. Volk der deutschen Regierung zur Kenntnis bringen wollen.
20. Nov. (Storthing.) Vertrauensvotum für die Regierung.
Nach Abschluß der Debatte über die äußere Politik und die Ver-
sorgungsschwierigkeiten wird das von dem Führer der Demokraten Cast-
berg beantragte Mißtrauensvotum mit 91 gegen 26 Stimmen, die soz.
Resolution mit 98 gegen 22 Stimmen verworfen.
23. Nov. Rücktritt des Versorgungsministers Vik.
Sein Rücktritt ist durch die im Storthing und in der Presse zutage
getretene Mißstimmung über die Wirtschaftspolitik der Regierung veranlaßt.
28.—30. Nov. (Christiania.) Konferenz der nord. Könige.
Sie sind von ihren Ministerpräsidenten und Ministern des Aeußern
begleitet. Es ist das erste Mal, daß der König von Schweden seit der Auf-
lösung der Union (1905) die norw. Hauptstadt besucht.
Abends findet ein Festmahl statt, während dessen König Gustav
von Schweden den Trinkspruch König Haakons mit folgendem Trink-
spruch erwidert: Für den freundlichen Empfang, der mir bereitet wurde
und für die herzlichen Worte, welche Ew. Maj. an mich gerichtet haben,
spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus. Ew. Maj. und das norwegische
Volk müssen die Empfindungen verstehen können, mit welchen ich heute
das Land wieder betrete, das sowohl fünf meiner Vorgänger auf dem
Throne wie auch ich als Regent während eines Zeitraumes von über neunzig
Jahren regiert haben. Ich würde weder mir selbst noch der Geschichte
gegenüber ehrlich erscheinen, wollte ich aussprechen, daß das, was 1905
erfolgte, schon vergessen sein könnte. Der Bruch der Union, welche von
König Karl XIV. Johann, dem großen Manne, von dem sowohl Ew. Maj.
wie auch ich in direkter Linie abstammen, gestiftet wurde, hat dem Eini-
gungsgedanken auf unserer skandinavischen Halbinsel eine tiefe Wunde zu-
gefügt, zu deren Heilung ich den lebhaften Wunsch hege meinerseits bei-
zutragen. Deshalb, Ew. Maj., habe ich mich heute hier eingefunden, um
Eurer Majestät und dem einstigen Unionsbruder zuzurufen: Laßt uns
eine neue Verbindung schaffen, nicht von der alten Art, aber eine Verbin-
Europäischer Geschichtskalender. LVIII 41