II. BVorführung des Angeschnldigten.
Art. 107. Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne eine ausreichende Entschuldi-
gungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl zu erlassen,
dem Vorgeladenen vorzuzeigen und derselbe vor Gericht zu führen.
Die Unverletlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Vorführung.
Art. 108. Selbst ohne vorgängige Vorladung kann der Untersuchungörichter die
Führung eines Verdächtigen vor Gericht zum Behufe seiner Vernehmung anordnen, soll
aber auch in diesem Falle, sofern es möglich, einen Vorführungsbefehl erlassen:
1) wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht, oder als ein Unbekannter,
als Ausläuder, als heimathlos, alo einen herumziehenden Lebenswandel führend,
wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht
verdächtig ist.
2) wenn er auf srischer That betreten, oder unmittelbar nach der That als des
Verbrechens verdächtig durch Nacheile oder Nachruf bezeichnet wird, oder alsbald
nach der That im Besitze von Waffen, Geräthschaften, Schriften oder anderen
Gegenständen betroffen wird, welche auf seine Theilnahme an dem Verbrechen
hinweisen, oder
3) wenn zu besorgen steht, daß er die Zeit zwischen der Vorladung und seiner
Vernehmung zur Behinderung der Zwecke der Untersuchung mißbrauchen werde.
Art. 109. Bei einem Aufruhr, bandfriedensbruch, oder einer mit Verübung eines
schweren Verbrechens verbundenen Schlägerei, ist der Untersuchungsrichter befugt, wenn
die Schuldigen nicht alöbald ausgemittelt werden können, gegen alle diejenigen einen
Vorführungsbefehl ohne vorgängige „Vorladung zu erlassen, welche dem Vorgange beige-
wohnt haben und von dem Verdachte der Theilnahme nicht völlig frei sind.
Art. 110. Begiebt sich der Untersuchungsrichter gleich nach Verübung eines schwe-
ten Verbrechens au Ort und Stelle, um erkundigungsweise eine unbeslimmte Zahl von
Personen abzuhören, so kann er jedem, bei dem er es angemessen findet, befehlen, daß
er während desselben Tages oder auch des folgenden Tages seine Wohnung nicht verlasse,
oder sich wenigstens nicht außerhalb des Ortes begebe. Wer diesem Befehl zuwider han-
delt, wird auf Betreten zum Zwecke seiner Vernehmung festgenommen und kann von dem
Untersuchungsrichter mit einer Gefängnißstrafe ln zu acht Tagen oder entsprechender
Geldbuße verurlheilt werden.
III. Vorläusige Verwahrung zum Behuse der Vorführung.
Art. 111. Wenn einer der im Art. 108 aufgeführten Jälle vorliegt, kann eine
vorläufige Verwahrung einco Verdächtigen zum Behufe der Vorführung vor den Unter-
suchungsrichter von Einzelrichtern und Polizei-Beamten, ohne daß ed einer schriftlichen
Anordnung bedarf, verfügt und vorgenommen werden, auch vom Staatsanwalte in Ab-