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V. Berathung und Abstimmung der Geschwornen.
Art. 289. Die Berathung der Geschwornen leitet ein von ihnen aus ihrer Mitte
zu wahlender Obmann. Bei dieser Wahl entscheidet einfache Stimmenmehrheit und bei
Stimmengleichheit das Loos.
Der Obmann hat vor der Berathung den Geschwornen folgende Insiruktion vor-
zulesen:
Das Geseh fordert von den Geschwornen keine Rechenschaft über die Gründe,
durch welche sie sich überzeugt haben. Es schreibt ihnen keine Regeln vor, von
welchen sie die Vollständigkeit eines Beweises abhänglg machen sollen. Es
schreibt ihnen aber vor, mit Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt zu prüfen, welchen
Eindruck die wider den Angeklagten vorgebrachten Beweise und die Gründe
seiner Vertheidigung auf ihre Urtheilskraft gemacht haben.
Das Gesetz sagt ihnen nicht: ihr müsset jede Thatsache für wahr halten, die von
dieser oder jener Zahl von Zeugen bekundet wird. Es sagt ihnen eben so
wenig: ihr dürft nicht einen Beweis als hinreichend geführt ansehen, der nicht
auf diesen oder jenen Urkunden, auf so und so viel Zeugen oder Anzeigen
beruht. Es richtet an sie die einzige Frage: seid ihr durch die vorgelegten
Beweise vollkommen überzeugt, daß der Angeklagte des Verbrechens, welches
man ihm zur Last legt, schuldig sei oder nicht.
Die Berathung und der Ausspruch der Geschwornen muß sich auf die thnen vom
Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken.
Ihre Ansicht über die Zweckmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit des Strafgesetzes darf
auf ihren Ausspruch keinen Einfluß haben. Nicht sie, sondern die Richter sind
berusen, die gesehlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen
der ihm zur Last fallenden That treffen. Die Geschwornen haben daher ihren
Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesehlichen Folgen desselben zu fällen
Der Obmann hat ferner den Geschwornen noch die folgenden Art. 291, 292, 293
vorzulesen.
Die Instruktion und die letztgedachten Artikel sollen in dem Verathungszimmer der
Geschwornen in mehreren Exemplaren angeschlagen sein.
Art. 290. Das Berathungszlmmer wird nach Anordnung des Präsidenten bewacht.
Kein Geschworner darf dasselbe ohne schriftliche Erlaubniß des Präsidenten verlassen.
Im Uebertrekungsfalle erkennt der Gerichtshof auf eine Geldbuße bis zu fünfzig Thalern,
ohne daß ein Rechtsmittel dagegen zulässig ist. Kann ein Geschworner der Berathung
nicht bis zu Ende beiwohnen, so läßt ihn der Präsident auf erhaltene Anzeige durch
einen Ersatzgeschwornen (Art. 280) ersehen.