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Gerichts auch auf diejenigen Verbrechen erstreckt werden, welche eigentlich vor den
niederen Richter gehörig sind, und es soll daher eine theilweise Verweisung der Sache
vor einen niederen Richter nicht eintreten. Ausgenommen sind jedoch hiervon diejenigen
Fälle, in welchen schon nach dem zweiten und dritten Absatze des Art. 56 eine Er-
streckung des Gerichtsstandes ausgeschogen“ .
Findet die Anklagekammer oder das #nigrüt, daß die in dem Antrage oder der
Anklageschrift angeführte That durch kein Strafgesetz verboten ist, oder daß der Staats-
anwalt ohne den erforderlich gewesenen Antrag eines Betheiligten, oder umgekehrt ein
Privat-Ankläger an der Stelle des Staatsanwalts ausgetreten ist, wo nur letzterer hätte
auftreten können, oder daß es an Beweismitteln fehlt, um den Angeschuldigten für
dringend verdächtig halten zu können, oder daß dieser in Folge unzweifelhafter That-
sachen als straflos erscheint, so ist die Entscheidung zu geben: daß der Angeschuldigte-
nicht in den Anklagestand zu versetzen sei.
Die Entscheidung kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, daß zuvor
Zeugen, welche zu Gunsten des Angeschuldigten ausgesagt haben, ihre Aussagen eidlich
bekräftigen. Dann hat der Untersuchungsrichter die Entscheidung erst nach erfolgter
Vereidung dem Angeschuldigten bekannt zu machen. Kann die Entscheidung nicht er-
folgen, oder ändern die Zeugen ihre früheren Aussagen, so ist eine anderweite Ent-
scheidung einzuholen.
Ill bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, dah im Falle seiner
Wiedererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so kamn statt
der Entscheidung, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei,
beschlossen werden, daß die Sache bis zur Wiedererlangung des Angeschuldigten auf sich
beruhen solle.
8. 36.
Treten die in dem vorigen Artikel gedachten Fälle nicht ein, und erscheint der An-
geschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist ein Verweisungsbeschluß
auf Versetzung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu ertheilen. Der Vewei-
sungsbeschluß hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur Last gelegte Verbrechen
und das Strafgesetz, nach welchem es zu bestrafen ist, zu bezeichnen.
In der Bezeichnung des Verbrechens und des Strafgesetzes ist das Gericht nicht
an die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden. Auch ist eine eventnelle Bezeichnung
des Verbrechens und der anzuwendenden Strafgesetze zulässig.