fullscreen: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 139. 547 
Kein Beweis für die Staatseigenschaft, wohl aber ein Aus- 
druck des faktischen Selbstbestimmungsrechts Elsaß - Loth- 
ringens liegt darin, daß im Reichslande ein von der allgemeinen 
Finanzwirtschaft des Reichs getrenntes Landesfinanzwesen und 
auch ein „Landesfiskus“ besteht, der „oraktisch ganz so behandelt 
wird, als wäre er ein deutscher Einzelstaat als Privatrechts- 
ersönlichkeit. Juristisch betrachtet ist aber dieser Landesfiskus 
ein vom Reiche verschiedenes Rechtssubjekt. Seine Selbständig- 
keit ist eine lediglich finanztechnische, rechnungsmäßige. Er ist 
nichts 2 eine Station, ein Stück, kein Gegenstück des Reichs- 
skusc, 
$ 139. 
[Grundlegend für die Organisation des Reichslandes ist noch 
heute (vgl. oben 542) der durch $3 des Vereinigungsgesetzes vom 
9. Juni 1871 ausgesprochene, in das Verfassungsgesetz vom 31. Mai 
von Schulze und Heine sowie die Abhandlungen von Schalfejew und Supf. 
Abweichend verhielten sich Seydel, Komm. zur RV 38 ff. und ZStW 88 089; 
Leoni, OfR 1 5fl.; Rehm, StL 161 ff.; Rosenberg, Staatsrechtliche Stellung 
von Elsaß-Lothringen 8fl. Von diesen haben aber Rehm und Rosenber 
ihre Meinungen in neueren Schriften geändert; vgl. Rehm, Das Reichslan 
Elsaß-Lothringens (1912), 8 ff.; Rosenberg, AnnDR 1903 481, 482, 664 ft. (oben 
8 TıN. 8). Um ekehrt „glaubt Nelte, der sich früher der herrsch. M. an- 
schloß, (Arch FR 27 21 ff.) jetzt, an esichts der Zulassung Elsaß-Lothringens 
zum Bundesrat, die Staatlichkeit des Reichslandes behaupten zu müssen: 
ArchÖfR 23 91 ff. Die Vertretung im Bundesrat ist aber dem Reichslande 
nicht gewährt, weil es ein Staat des Reichs ist, sondern obgleich es keiner 
ist. Darüber bestand bei den gesetz ebenden Faktoren nicht der mindeste 
Zweifel. Die elsaß-lothringischen Bundesratsstimmen stehen nicht dem 
Reichslande, sondern dem Reiche zu. Daß dies, obwohl seltsam und 
&abnorm, doch nicht undenkbar ist, zeigt Rehm, Reichsland Elsaß-Lothringen 
13 an dem Bilde der Aktiengesellschaft, welche auf ihre eigenen von ihr 
erworbenen Aktien das Stimmrecht in ihrer Generalversammlung ausübt; 
zustimmend Schoenborn, a. a. O0. 252 N. 7. Gegen Nelte auch Laband 3 
234 N. 3. — Gern wird hervorgehoben, daß das Reichsland kein „bloßer 
Verwaltungsbezirk* des Reichs, sondern mehr und etwas anderes sei. Es 
wird ihm etwa — mit Unrecht — der Charakter eines Gemeinwesens mit 
juristischer Persönlichkeit beigelegt; so die Voraufl. 475 und die dort N. 14 
itierten, ebenso Fischbach 56 ff. („juristische Person des Öffentlichen Rechts“). 
Oder man stellt das Reichsland als Zwitterbildung zwischen Staat und 
Nichtstaat dar, als „Staatsfragment“ (Jellinek, Staatsfragmente), „Land“ 
Jellinek, StL 650 ff), „Nebenland“ (0. Mayer, WStVR 712), „gehobene 
rovinz® (Rehm, Das Reichsland Elsaß-Lothringen 12). Diese Konstruk- 
tionen haben mehr politischen als staatsrechtlichen Wert. Die beliebte 
Identifizierung des Reichslandes mit den Territorien der Vereinigten Staaten 
(euorst bei Jellinek, Staatsfragmente [1896], dann von Rosenberg, Bruck, 
elte u. a. übernommen) ist keine Erklärung der rechtlichen Natur Elsaß- 
Lothringens, sondern ein bloßer Vergleich. 
ce Diese Ausicht wird in der Literatur mit voller Schärfe insbesondere 
von Haenel, StR 834; Zorn, StR 1558 und Arndt, RStR 746 vertreten. A.M, 
die Voraufl., 133 N. 15. Nach Laband, StB 4. Aufl. 2 213, 214 (weniger 
deutlich 5. Aufl. 2 216) ist der reichsländische Fiskus nur ein „Spezialfiskus 
des Reichs“, jedoch „als besonderes Rechtssubjekt konstituiert“.
	        
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