Das Denisqhe Reih und seine einzelnen Glieder. (Januar 19./23.) 17
mit einigen Worten auf die Ausführungen des Abg. v. Vollmar entgegnen.
Aus den Schlußausführungen des Abg. v. Vollmar schien mir die Tendenz
zu sprechen, Sr. Majestät dem Kaiser und der Monarchie eine antisoziale
Tendenz zu imputieren. Diese Auffassung ist historisch wie psychologisch
gleich unbegründet. Wie wir alle wissen, ist die soziale Gesetzgebung in
Deutschland durch Kaiser Wilhelm I. ins Leben gerufen worden. Die
Monarchie hat in Deutschland tatsächlich mehr für die arbeitenden Klassen
getan, als bisher in irgend einem andern Lande für die Arbeiter geschehen
ist. (Sehr richtig!l) Vor einigen Wochen befand sich in Berlin eine De-
putation der englischen Friendly Societies, um unsere Versicherungsgesetz-
gebung zu studieren. Bei dem Abschied der Deputation hielt der Führer
derselben eine Abschiedsrede, in der er unter Bezugnahme auf die Aller-
höchste Botschaft vom 17. November 1881 wörtlich sagte: „Selbst wenn die
Namen eines Cäsar oder Napoleon längst verklungen sein werden, so wird
dieses deutsche Kaiserwort ewig fortleben, es wird noch in den fernsten
Jahrhunderten die Herzen bewegen und andauernd das Gedächtnis an den
großen deutschen Kaiser erhalten, der die Worte seiner an den Reichstag
gerichteten Botschaft nicht bloß ausgesprochen, sondern kraftvoll in die Tat
umgesetzt hat.“ So, meine Herren, urteilt das Ausland darüber, was die
Monarchie in Deutschland geleistet hat für die soziale Frage. Es ist un-
bestritten, daß die soziale Gesetzgebung, die Gesetzgebung zum Wohle der
arbeitenden Klassen in keinem Lande so entwickelt ist wie bei uns. (Sehr
richtig! Rufe der Sozialdemokraten: Na, nal) Die großartige Schöpfung
unserer Arbeiterversicherung steht bis jetzt einzig in der Welt da. Wo
finden Sie in Frankreich oder in Belgien oder in Holland, in England
oder in Amerika Gesetze, Maßnahmen und Einrichtungen zum Schutze der
Arbeiter wie bei uns? Wenn Sie das bestreiten wollen, meine Herren,
so möchte ich Ihnen aus dem Berichte unseres Botschafters in Paris eine
Stelle vorlesen über eine Unterredung, die er gehabt hat mit dem früheren,
sehr ausgezeichneten französischen Handelsminister Millerand. Herr Mil-
lerand ist, wie Herrn v. Vollmar nicht unbekannt ist, ein intimer Freund
des großen Redners und hervorragenden Politikers Jaurès, und da Jaures
nach dem, was ich glaube verstanden zu haben, einer guten Meinung bei
Herrn v. Vollmar sich erfreut (Abg. v. Vollmar: Sehr richtig!) — es freut
mich, daß Herr v. Vollmar „Sehr richtig!“ ruft —, so werden Sie gewiß
eine Bedeutung beilegen dem, was Millerand unserem Botschafter sagte.
Herr Millerand bemerkte, daß, da die Frage der Altersversicherung für
die Bergarbeiter gerade jetzt wieder auf der Tagesordnung steht, seine
Bemühungen darauf gerichtet seien, einen ähnlichen Zustand zu schaffen,
wie ihn die Hochherzigkeit und die Weitsicht des Kaisers Wilhelm in Deutsch-
land gefördert habe (Hört, hörtl) für die humanitäre Behandlung der
arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter; in Deutschland habe der Staat viel
mehr getan, als dies in Frankreich bisher der Fall gewesen. (Sehr richtig!)
Man müsse dieses hier nachholen. Seine Sorge sei, die immer drohender
werdende Gefahr der Streiks zu beseitigen, nicht aber, wie man ihm von
feindlicher Seite vorwerfe, die Streiks zu fördern. Dies wäre nur mög-
lich, wenn den wirklich berechtigten Forderungen der Arbeiter Rechnung
etragen werde. Wenn es Sie interessiert, könnte ich noch aus dem An-
ang dieses Berichtes die nachstehende Stelle verlesen. Unser Botschafter
Fürst Radolin schreibt: Bei der Unterhaltung mit Millerand hatte ich
wiederum den angenehmen Eindruck einer ruhigen, würdigen Persönlichkeit,
fern von jeder Pose, der es nur um sachliches Interesse zu tun ist. Nach
früheren Schilderungen der Presse hatte ich mir ein ganz anderes Bild von
ihm machen müssen. Er verfolgt energisch die Hebung der unteren Massen,
Europäischer Geschichtskalender. 11I. 2
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