Von Personen und deren Rechten überhaupt. 87
6# 37. Außer diesen Fällen kann ein Mensch, der einmal gelebt hat, und dessen
Tod nicht erwiesen werden kann, nur nach Ablauf der im Gesetze näher bestimmten
Fristen. durch richterlichen Ausspruch für todt erklärt werden. (Th. II, Tit. 18, Abschn. S.)
§. 38. Kommt es aber darauf an, ob Jemand einen gewissen Erb= oder andem
Anfall noch erlebt habe, so wird vermuthet "), daß ein Mencch, von dessen Leben
ae Tode keine Nachricht zu erhalten ist, nur siebenzig Jahre 70) alt geworden
·7. A .
39) Der Tod eines Menschen, der einmal gelebt hat, muß entweder bewiesen werden, oder es
müssen Umstände vorhanden sein, auf welche die Gesetze die Vermuthung des Todes grlinden. Ist
weder das eine noch dos andere der Fall, so versteht sich rechtlich von selbst, daß der Mensch für lebend
gilt. Das drückt das Obertr., welches schon früher in den Entsch. Bd. XII, S. 180 den Satz ange-
wendet hat, in seinem Pr. vom 6. April 1848 (Entsch. Bd. XVII, S. 91) so aus: „Es wird vermu-
thet, nicht nur, daß ein Verschollener nach vollendetem siebenzigsten Jahre uicht mehr gelebt, sondern
auch, daß er bis zu diesem Zeitpunkte gelebt bhabe, namentlich auch dann, weun es sich um den
Aufall der Erbschaft an den Verstorbenen handelt.“ Dics ist so, als wenn man sagte: es wird ver-
muthet, nicht nur, daß eine Schuld nach vollendeter Verjährung nicht mehr bestehe, sondern auch,
daß sie bis zu diesem Zeitpunkte bestanden habe. Mit der Idee ist nichts gewonnen; sie ist für das
pr. Recht entbehrlich. Anders freilich nach gemeinem Rechte. Denn unter den gemeinrechtlichen Juri-
sten ist über den Werth der Bermuthung: daß der Mensch 70 J. alt werde, Streit, wenn davon die
Rede ist, daß für ihn eine Erwerbung in Anspruch genommen wird, namentlich eine Erdschaft, welche
posiliv voraussetzt, daß der Anfall erlebt worden sei. Und der hiergegen von Vielen neuerdings wie-
derholte Widerspruch (Cropp, jurist. Abhandlungen, Bd. II, Nr. V; Pseiffer, praktische Ausfüh-
rungen, Bd. IV., S. 360; Runde, oldenburger Archiv, Bd. II. S. 106 ff. u. v. A.) hat nach G. R.
zuten Grund, er ist keinesweges, wie das Obertc. S. 92 a. a. O. bemerkt, erst in neuerer Zeit erho-
eun, sondern er ist so alt wie die Präsumtion selbst. Denn allgemein anerkannt ist dieselbe nur bei der
Frage: waun die zurückgebliebenen Vermogensstücke eines Verschollenen, wegen veruuthlichen Ablebens
desselben, seinem Erben zu überlassen seien. Dagegen war man in dem Falle, wo nicht der Erbe sich
auf den Tod des Erblassers stützte, um die Erbschaft in Besitz zu nehmen, sondern wo Jemand sich auf
die Forrdauer des Lebens eines Abwesenden berief, um einen Auspruch an die Verlassenschaft eines An-
deren für ihn zu machen, nicht einig. Viele behaupdeten den Sag: qul in absentis viis se fundat,
enm probare necesse habet, u. A. Wesenbec ad tit. D. de probat., n. 6; Richter, Deeis. 66,
n. 26. Andere meinten das Gegentheil. Leyser, Sp. 95, m. 24. Eden so widersprechend sind
hierin die neuen Gesetzgebungen. Der Code eivil Art. 136 läßt Abwesende, deren Leben bestritten und
nicht bewiesen ist, nicht zur Erbschaft. Das A. L. N. hat die Frage im entgegengesetzten Sinne ent-
schieden, und es bedarf nunmehr, nachdem die Beweislast gesetzlich regulirt worden ist, der Präsum-
tion „#n jener zweischneidigen Weise“ nicht. Der unbestrittene Rechtsgrundsatz: der Tod eines Men-
schen, der einmal gelebt dat, muß bewiesen werden, mit seinen fest bestimmten Ausnahmen, ganz al-
lein ist emscheidend und genügend. Die eine Ansnahme ist eben das 70jährige Alter eines Abwesenden.
Der Scand des pr. Rechts hinsichtlich dieser Vermuthung ist ein ganz anderer als der des G. R.
Von derselben wird da, wo sie im G. R. hauptjächlich wirksam ist, nämlich bei der Suceession in
die Verlassenschaft des Verschollenen, im pr. R. gerade gar keine Anwendung gemacht; deun in diesem
Falle muß jedesmal der Tod bewiesen, oder der Abwesende für todt erklärt werden, wenn er auch schon
70 Jahre alt geworden. s§. 34—37 d. T. und II, 18, s. 830. In dem Jalle aber, wo die Anwen-
dung im G. R. streitig ist, da findet sie statt, und zwar ausschließlich in der Weise, daß die Todes-
erklärung nicht nur nicht nöthig ist, sondern, wenn sie enwa stattgesunden hätte, keine Wirkung hat und
dem dritten Interessenten unnachtheilig bleibt. Wird also eine Erbschaft eröffnet, welche einem Abwe-
senden aufallen würde, wenn er noch lebte, so wird bloß gefragt: ob er schon 70 Jahre alt sein müßte,
oder nicht. Würde er noch nicht 70 Jahre alt sein, so ist er Erbe geworden, wenn er auch schon vor-
der für todt erklärt worden wäre; deun die Todeserklärung bezweckt nur die Beendigung der Abwesen-
beitskuratel und der Vermögensverwaltung. Jene präsumtive Lebensdauer kann weder durch eine spitere
Todeserklärung verlängert (II, 2, §§. 452, 453), noch durch eine frühere abgekürzt werden. -. Anh. z.
A. G.O. J. 270. Der Beweis der Wirklichkeit aber beseitigt alle Präsumtionen auch hier. Anh. S. 270
a. a. O. Vergl. A. L. R. II, 18. IF. 842 ff. (5. A.) Es kann also auch, wie das Obertr. ganz richtig
sagt, bewiesen werden, daß der Verscholleue mcht 70 Jahre alt geworden, sondern schon früder verstor-
ben ist. Erk. vom 13. März 1865 (Entsch. Bd. LV., S. 208).
Auf Altentheils = Hebungen wird von der Vermuhung nicht Anwendung gemacht. M. fs. unten,
Anm. 41 zu §. 602, Tit. 11.
40) Unter den älteren gemeinrechtlichen Schriftstellern wollten Biele (u. A. Voet, Comment.,
XXXVIII, 17, 6. 16 I. UC: Fasber, Cod. defin., V, 40. def. 4: Finkelthans, Observat., 100),
nach Analogie der L. 56 D. de usufr. und L. 23 C. de 8SS. eccles., 100 Jahre abgewartet wissen; die
Gerichtspraxis hat sich aber mit der Zeit allgemein für den Ps. 90, 10 entschieden. Diese findet sich