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waren, m. a. W. ob sie auch tatsächlich Partei sind. Erst
wenn dies festgestellt ıst, hat der Bundesrat weiter zu prüfen,
ob die materiellen Voraussetzungen des Art. 761 auch ge-
geben sind. Wenn dann auch diese Frage bejaht ist, dann
liegt ihm die verfassungsmäßige Pflicht ob, den anhängig
remachten Streit zu erledigen.
Es fragt sich nun, in welchem Verhältnis das Wort „er-
ledigen“ zu dem kurz vorher gebrauchten „entscheiden“
steht. Rein sprachlich betrachtet ist „erledigen“ jedenfalls
der umfassendere Begriff; ist doch ın ıhm auch das „ent-
scheiden“ mitenthalten. Da jedoch sicherlich nicht unbeab-
sichtigt diese beiden Worte im Art. 76 verwandt sind, so
würde ich unter Entscheidung als dem engeren Begriff die
drei Arten richterlicher Tätigkeit verstehen: Urteile, Be-
schlüsse, Verfügungen. Im Gegensatz hierzu verstehe ich
unter „erledigen“ eine Tätigkeit, die darauf gerichtet ist.
den Streit auf irgend eine Weise aus der Welt zu schaffen.
nicht nur ausschließlich durch Urteil oder Beschluß. Im
Gegensatz zur Deutschen Bundesakte, wo die Bundesver-
sammlung nicht das Recht der eigenen Urteilsfällung hatte,
— die Bundesversammlung hatte zunächst zwischen den
beiden Streitteilen zu vermitteln, erst dann konnte sie die
Parteien an eine Austrägalinstanz verweisen —, hat die
Reichsverfassung keine derartige Regel aufgestellt. Wir
gehen daher nicht fehl. wenn wir dem Bundesrat das Recht
zubilligen, nach freiem Belieben, auf jede ihm geeignet er-
scheinende Weise, die an ihn gebrachte Angelegenheit end-
gültig zu erledigen.
Der Bundesrat kann nun auf mehrere Arten den an ihn
gestellten Anforderungen gerecht werden. Zunächst kann
er, und das entspricht am ehesten der Tendenz des Art. 761.
den Streit dadurch beilegen, daß er zwischen den beideu
Parteien vermittelt. Schlägt der Versuch einer gütlichen
Beilegung aber fehl, dann kann der Bundesrat durch einen