Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

Vorbemerkung. 
  
„Belagerungszustand“ oder „Kriegszustand“ nennt man 
denjenigen Ausnahmezustand, der infolge einer Bedrohung 
des Staates durch innere oder äußere Feinde hervorgerufen 
ist und in dem zur Erhaltung des Staates und seiner öffent- 
lichen Sicherheit die konstitutionellen Schranken, die die Ver- 
fassung den Machthabern des Staates auferlegt hat, ganz 
oder teilweise beseitigt werden, die gesamte vollziehende Gewalt 
des Staates in einer Hand, sei es einer Militär= oder Zivil- 
behörde vereinigt wird und die strafrechtlichen Vorschriften 
hinsichtlich gewisser Vergehen, die die öffentliche Sicherheit 
besonders bedrohen, verschärft werden. 
Die Herbeiführung eines solchen Zustandes und seine 
gesetzliche Regelung — eine solche ist nötig, soll der Ausnahme- 
zustand nicht zu einer reinen Willkürherrschaft werden — 
war solange nicht erforderlich, als der Monarch uneingeschränkt, 
absolut herrschte. Das Bedürfnis tauchte erst auf, als die Ver- 
fassungen die Rechte des Herrschers beschränkten. Daher finden 
wir die ersten Anfänge des Belagerungszustandes und seine 
Regelung in der französischen Revolution: das Gesetz vom 
8. Juli 1791 sah zum erstenmal einen 6état de siège für befestigte 
Plätze vor. Dieses Gesetz wurde im Jahre 1797 und später 
besonders durch das napoleonische Dekret vom 24. Dezember 
1811 weiter ausgebaut, welches neben den Belagerungszustand 
noch den Kriegszustand (état de guerre) setzte. Diese Gesetze 
gelten in einem Teil des Deutschen Reiches, in der bayerischen 
Pfalz noch heute, soweit der Belagerungszustand wegen eines 
Aufruhrs verhängt werden soll, was allerdings nicht unbestritten 
ist (ogl. v. Suttner, Bayr. Ges. über den Kriegszustand S. 3). 
Sie sind die Vorbilder des preußischen Gesetzes geworden.
	        
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