96 Das Dentsqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (Mai 29.)
und sich, welches letztere zu den äußersten Leistungen begeisterte, während
er seinen Geist seinen Generalen einflößte und so den Grund legte für
die unvergleichlichen Erfolge, welche in der siegreichen Ueberwindung einer
gegen ihn verschworenen Welt in Waffen gipfelten. Unvergessen seien diese
Leistungen, unvergessen die Namen der Helden jener großen Zeit! Spot-
tend nannten damals Friedrichs Feinde seine kleine Armee die „Pots-
damer Wachtparade"“! Nun, er hat es gezeigt, was er an deren Spitze
vermocht. Und auch in späteren Zeiten hat die „Potsdamer Wachtparade“
jedem gebührend die Wege gewiesen, der mit ihr anzubinden versuchte.
Zur Erinnerung an diese Zeit ist der Obelisk aus nordischem Granit
errichtet. Eine Erinnerung an „Friedericus Rex, den König und Held“,
zur Nacheiferung für uns alle, in ungeschwächter Kraft rastlos an unserer
Schlagfertigkeit zu arbeiten. Wenn jetzt die Hülle fällt, wenn zum Gruß
die Fahnen und Standarten sich neigen, die Degen sich senken und Bajo-
nette im Präsentiergriff blitzen, dann geschieht das nicht nur vor diesem
Stein, sondern vor ihm, dem großen König, seinen Generalen und Feld-
marschällen, vor seinem großen Nachfolger, Wilhem dem Großen und dessen
Paladinen, die jetzt alle beim großen Alliierten droben versammelt auf
uns herabblicken, und vor Preußens ruhmvoller Heeresgeschichte und Tra-
dition. Achtung, präsentiert das Gewehr!
Bei der Frühstückstafel hält der Kaiser folgende Rede:
Das Glas, welches Ich nunmehr zu leeren im Begriff stehe, gilt
dem Gardekorps und Meiner Armee. Sie ist an dem heutigen Fest= und
Ehrentage in ihren Führern hier vertreten. Ich habe in letzter Zeit zwei
Korps gesehen. Vor kurzem führte Ich einen Teil des Korps, dem die
Grenzwacht in der Westmark anvertraut ist, über die einst blutgetränkten
Felder zum Angriff. Rechts und links schritten wir zwischen Gräbern,
geschmückt mit weißen Kreuzen. Marschrichtungspunkte waren die Denk-
mäler der preußischen Garden, darunter speziell vom Augusta-Regiment.
Ein Augenblick, tiefergreifend für den, der ihn durchlebt. Denn er er-
innerte an die gewaltigen Taten der deutschen Heere unter Friedrichs
großem Nachfolger, Wilhelm dem Siegreichen. Heute greife Ich zurück
auf die Anfangsgeschichte der damals noch kleinen preußischen Armee unter
Friedrich. Vor zwei Tagen haben Sie auf den Brettern, die die Welt
bedeuten, in erhebendem Spiel den König und sein Wirken auf dem Dö-
beritzer Boden, ihn inmitten der Männer gesehen, deren Namen uns
Preußen so teuer, und umgeben von seinen Regimentern, die ihm die
Mühe mit dem Lohne dankten, daß sie mit ihrem Herzblut die Geschichte
Preußens schreiben halfen. Fürwahr Ihnen, Meine Herren Generale, ist
es — wie jedem Altpreußen — so wie Mir gewiß ergangen, daß es Ihnen
allemal heiß und kalt den Rücken herunterlief, wenn vom großen König
gesprochen ward oder er selbst gar in Person erschien! Sie sahen zu zweit
den ganzen Jammer und das Elend deutscher Kleinstaaterei, welche, das
Ausland nachäffend, oftmals lieber mit dem undeutschen Nachbarn sich
verband, als auf seiten dessen zu stehen, der im Begriff stand, den Grund-
stein des neuen Deutschen Reichs zu legen und der deutschen Fürsten Zu-
kunft fest zu sichern. In diesen Jammerzustand der Ohnmacht und Zer-
rissenheit fuhr der lorbeerumkränzte preußische Degen, geführt von der
Hohenzollernhand des großen Friedrichs und „stabilierte“ sein Reich als
Basis, auf der einst Kaiser Wilhelm der Große das neue Deutsche Reich
errichten konnte. Das war eine schöne, herrliche und große Zeit. — Gewiß,
meine Herren, aber ebenso sicher ist es, daß die jetzige Zeit ebenfalls eine
schöne und große werden kann und ist, auch für die Zukunft, wenn wir