Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1905. (37)

XIV. 323 
Die Entscheidung darüber, ob ein Kriegsteilnehmer unterstützungsbedürftig ist, muß ohne 
Bindung an eine bestimmte Einkommensgrenze unter gewissenhafter Prüfung der gesamten 
Umstände des einzelnen Falles getroffen werden. 
Bei der Prüfung der Unterstützungsbedürftigkeit ist deshalb auf die persönlichen und die 
Familienverhältnisse des Antragstellers sowie auf die Lebensbedingungen an seinem Wohnorte 
Bedacht zu nehmen, auch dürfen die Verhältnisse seiner unterhaltsverpflichteten Verwandten 
ebensowenig wie die der unterhaltsberechtigten außer Betracht bleiben. Ferner ist zu 
berücksichtigen, daß nach der ausgesprochenen Absicht des Gesetzes die Kriegsteilnehmer durch 
die Beihilfe möglichst vor Inanspruchnahme der Armenpflege bewahrt werden sollen. 
Anderseits ist jedoch zu beachten, daß nur derjenige als unterstützungsbedürftig angesehen 
werden kann, der durch die Unterstützung in seinen Verhältnissen tatsächlich eine Besserung 
erfährt. Unterstützungsbedürftigkeit liegt deshalb beispielsweise nicht vor, wenn nach Lage des 
Falles die Zahlung der Beihilfe weder ganz noch teilweise dem Kriegsteilnehmer selbst, sondern 
ausschließlich einem Armenverband oder einer öffentlichen Pflegeanstalt zugute käme. 
84. 
Als gänzlich erwerbsunfähig sind im allgemeinen diejenigen Kriegsteilnehmer anzusehen, 
deren Erwerbsfähigkeit infolge von Alter, schwerem Siechtum, unheilbarer Krankheit oder 
anderen Gebrechen dauernd auf weniger als ein Drittel herabgesetzt ist. Dies ist dann anzu- 
nehmen, wenn sie nicht mehr imstande sind, durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten ent- 
sprechende Tätigkeit, die ihnen unter billiger Berücksichtigung ihrer Ausbildung und ihres 
bisherigen Berufs zugemutet werden kann, ein Drittel desjenigen zu erwerben, was körperlich 
und geistig gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in derselben Gegend 
durch Arbeit zu verdienen pflegen. 
Sollte ausnahmsweise ein in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als zwei Drittel herab- 
gesetzter Kriegsteilnehmer doch tatsächlich noch dauernde Beschäftigung finden, so ist auch hierauf 
Bedacht zu nehmen. 
Vorübergehende Erwerbsunfähigkeit, z. B. infolge von Krankheit, genügt nicht. 
85. 
Unter den gesetzlichen Invalidenpensionen oder entsprechenden sonstigen Zuwendungen aus 
Reichsmitteln (Artikel III 8 2 zu a) sind nicht Invaliden-, Alters- und Unfallrenten zu 
verstehen, sondern nur Militärpensionen und Unterstützungen nach Maßgabe des Allerhöchsten 
Gnadenerlasses vom 22. Juli 1884. 
Der Bezug von Invaliden-, Alters= oder Unfallrenten sowie von Civilpensionen und den 
entsprechenden Zuwendungen kann nur für die Beurteilung der Unterstützungsbedürftigkeit von 
Erheblichkeit sein.
	        
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