Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1876 (3)

Beil. III. 19 
2) auf die constante Observanz und das hieraus abgeleitete Herkommen, und eventuell 
3) auf die Extinctivverjährung. 
Allein nicht die Rechtstitel, auf welche hin ein Anspruch erhoben wird, sondern die 
rechtliche Natur der Sache ist für die Zuständigkeit zunächst maßgebend. Da hier ein Gegen- 
stand öffentlich rechtlicher Natur vorliegt, so vermögen die angeführten Rechtstitel allein die 
Sache nicht zu einer civilprocessualen umzugestalten, Verjährung und Herkommen können im Gebiete 
des öffeutlichen Rechtes ebenso in Erscheinung kommen wie im Privatrechte. Auch Verträge 
sind nur dann Quellen von Privatrechten, wenn durch dieselben Privatrechtsverhältnisse bestimmt 
werden, haben dieselben Gegenstände des öffentlichen Rechtes zum Inhalte, so kann die Ver- 
tragsform allein sie nicht zu Privatrechtssachen umgestalten. 
Wenn lediglich das Motiv oder der Zweck im öffentlichen Rechte wurzelt, der im Vertrage 
enthaltene Verpflichtungsgrund aber privatrechtlicher Natur ist, dann kann ein civilprocessual 
verfolgbares Recht entstehen, wie dieses der Fall ist, wenn ein Dritter zur Erreichung öffent- 
lich rechtlicher Zwecke z. B. zur Errichtung, Verbesserung einer Schule vermögensrechtliche 
Verpflichtungen übernimmt, wovon der Art. 1 des Schuldotationsgesetzes vom 10. November 
1861 Erwähnung macht. 
Auch eine Gemeinde, welche sich als juristische Person ebenso verpflichten kann, wie ein 
Individuum, könnte sich gegenüber einer anderen Gemeinde zu öffentlich rechtlichen Zwecken 
privatrechtlich verpflichten. Wenn dieses der Fall sein sollte, müßte der civilrechtliche Ver- 
pflichtungsgrund dabei ausgesprochen, bestimmt erkennbar sein. Wenn dann in einem hierüber 
entstehenden Processe auch öffentlich-rechtliche Normen mit zur Anwendung zu kommen haben, 
so wird dadurch die civilprocessuale Eigenschaft der Sache nicht geändert. 
Der Vergleich vom 30. November 1824, auf welchen die Gemeinde Wasserburg 
ihren Anspruch stützt, läßt jedoch nirgends eine Spur privatrechtlicher Verpflichtung der 
Gemeinde Günzburg, die bauliche Unterhaltung der Schullocalitäten in Günzburg allein 
zu tragen, ersehen; vielmehr spricht schon der Betreff des Vergleiches, welcher die Armen- 
pflege und das Schulgeld zum Gegenstande hat, dann der Inhalt desselben, wodurch die 
Armenpflege der beiden Gemeinden getrennt, und die bezüglich der Armenpflege und des 
Schulgeldes eingerissenen Differenzen und Rückstände ausgeglichen wurden, sowie der Inhalt 
der hierauf ergangenen Regierungsentschließung, wodurch der Trennung der Armenpflege und 
der damit in Verbindung gebrachten Regulirung des Schulgeldes für arme Kinder die 
Curatelgenehmigung ertheilt wurde, deutlich für die öffentlich rechtliche Natur dieses Vergleiches.
	        
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