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Kompetenz-Konfliktes zuzugestehen sei. In diesem Punkte konnte indeß den sie bejahenden Aus-
führungen der k. Staatsanwaltschaft nicht beigetreten werden.
Im Sinne des Art. 23 Abs. 4 des Gesetzes vom 18. Aug. 1879, die Entscheidung
der Kompetenz-Konflikte betr., erscheint es gelegen, für die Frage, ob die Zuständigkeit der
Gerichte oder die der Verwaltung begründet sei, den Zeitpunkt für entscheidend zu er-
achten, in welchem eine Partei die Thätigkeit dieser Organe angerufen hat. Dieses geschah
im Juni 1892 bei dem Stadtmagistrate Bamberg, der damals, wie zu I. dargethan, das
zur Entscheidung der Sache zuständige Organ gewesen ist, im August 1892 bei dem
k. Amtsgerichte Bamberg I, also hier, wie dort vor dem 1. Jannar 1893. Jene Behörde
hat sich auch thatsächlich mit der Sache befaßt, indem sie nicht allein den von der Kranken-
kasse um den Ersatz ihrer Auslagen in Anspruch genommenen Schlossermeister Ruff ver-
nehmen ließ, sondern auch das Gutachten eines sachverständigen Arztes erholte, und damit
eine gewisse Rechtshängigkeit mit der Wirkung geschaffen, daß eine spätere, durch ein neueres
Gesetz verordnete anderweitige Regulirung der Zuständigkeit in dieser Sache keine Aenderung
hierin mehr herbeizuführen vermag. Die k. Staatsanwaltschaft berief sich zur Begründung
ihrer Auffassung auf die Art. 35—37 des bayer. Einführungsgesetzes zum Straf= und
Polizeistrafgesetzbuche vom 10. November 1861, allein in diesen Bestimmungen vermochte
der Gerichtshof nicht die Anerkennung eines Prinzipes, sondern nur die positive Regulirung
der damaligen Ueberleitung anhängiger Sachen von den Polizeibehörden an die Gerichte, ge-
wissermassen eine Ausnahme von dem auch für das Verfahren in Verwaltungssachen an-
erkannten Grundsatze der Rechtshängigkeit zu erblicken. Hienach war, wie geschehen, zu
erkennen.
Also geurtheilt und verkündet in öffentlicher Sitzung des Gerichtshofs für Kompetenz=
Konflikte vom dritten Mai eintausendachthundertd d zig, wobei zugegen waren: Die
Räthe des Obersten Landesgerichts von Seiff ert, stellvertretender Vorsitzender, von Loeßl,
Reitzmann, Wucherer, die Räthe des Verwaltungsgerichtshofs Krais, Geib, Müller,
der k. Staatsanwalt Then und Sekretär Rodler.
gez. v. Seiffert, v. Loeßl, Reitzmann, Wucherer, Krais, Geib, Miller, Nodler.
Für richtige Fertigung:
München, den 16. Mai 1893.
Der Präsident des ligl. Gerichtshofes für Kompetenz-Konslikte.
Bei Verhinderung des l. Präsidenten:
(L. S.) Rath von Geiffert.