Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1894. (21)

AM 30. 555 
9. Gedichte sind auswendig zu lernen und mit Verständniß vorzutragen. Ueber 
die Wahl der in den einzelnen Klassen auswendig zu lernenden Gedichte haben sich die 
Lehrer einer Anstalt untereinander zu verständigen. Dabei ist durch Auffrischung des früher 
Gelernten Sorge zu tragen, daß eine größere Anzahl klassischer Gedichte und Stellen den 
Schülern zum dauernden geistigen Eigenthum werde. 
10. In den vier unteren Klassen und theilweise auch in der fünften und sechsten ist 
der Lektüre ein Lesebuch zu Grunde zu legen. In den zwei oberen Klassen sind auch größere 
Stücke der klassischen Literatur im Zusammenhang zu lesen. 
11. In der fünften Klasse schließt sich an die Lektüre epischer und lyrischer, in 
der sechsten Klasse an die Lektüre dramatischer Dichtungen die Belehrung über die 
Dichtungsarten und die Hauptregeln der Poetik, an die Lektüre von historischen Darstellungen, 
von Abhandlungen, von hervorragenden Erzeugnissen der Redekunst die Belehrung über die 
bedeutendsten Kunstformen der Prosa an. 
12. In der sechsten Klasse schließen sich an die Lektüre der Meisterweike der 
zweiten klassischen Periode einfache literaturgeschichtliche Erlänterungen an. 
13. Die Privatlektüre der Schüler, für welche an jeder Anstalt eine geeignete 
Bibliothek bestehen soll, ist von den Lehrern sorgfältig zu kontrolliren und mit dem Schul- 
unterricht in Zusammenhang zu bringen. 
14. Die schriftlichen Uebungen erstrecken sich in den drei unteren Klassen auf 
Nacherzählungen, indem das Erzählte zuerst einfach wiedergegeben, später erweitert oder durch 
Veränderung des Standpunktes umgestaltet wird, auf briefliche Mittheilungen, Schilderungen 
in erzählender Form, zusammenfassende Nacherzählungen von Abschnitten aus der Sage und 
Geschichte, Beschreibungen einfacher Oertlichkeiten. 
15. In den drei oberen Klassen werden in Verbindung mit den schriftlichen Uebungen 
die Hauptregeln der Stilistik behandelt, zu deren Veranschaulichung auch die Lektüre oft 
Gelegenheit bietet. Ferner wird die Technik des Aussatzes zuerst in ihrer einfachsten Form, 
später eingehender mit den Regeln der Gliederung an Musterbeispielen und bei der Dis- 
position der zur Bearbeitung gegebenen Themata zum Verständniß gebracht. Zur schrift- 
lichen Ausarbeitung sind zu wählen Beschreibungen von Gegenständen der Natur, von Plätzen, 
von Bildwerken und Gebäuden, Schilderungen von Naturvorgängen und wirklichen oder er- 
dichteten Erlebnissen (theilweise in Briefform), Erzählungen und erweiterte Darstellungen 
nach gelesenen französischen Schriften, Inhaltsangaben größerer Lesestücke wie von Goethes 
Hermann und Dorothea), Erläuterung von Sprichwörtern mit Beispielen aus dem Leben, 
einfache Abhandlungen über Sätze, die dem Gedankenkreise der Schüler und dem Unter- 
richtsstoffe entnommen sind, im Anfange nach vorher festgestellten, später nach selbst zu 
findenden Dispositionen.
	        
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