Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1902. (29)

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Die Verfügung des Vormundschaftsgerichts, durch welche die Zwangserziehung oder 
die vorläufige Unterbringung angeordnet wird, ist den Eltern und dem gesetzlichen Vertreter 
des Minderjährigen, dem Minderjährigen selbst, wenn er das vierzehnte Lebensjahr vollendet 
hat, der Distriktsverwaltungsbehörde und der Heimatgemeinde zuzustellen und kann von 
ihnen mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde gegen die die Zwangs— 
erziehung anordnende Verfügung hat aufschiebende Wirkung. 
Art. 5. 
Der Vollzug der gerichtlichen Anordnung, insbesondere die Entscheidung darüber, ob 
der Minderjährige in einer Familie oder in einer Erziehungs- oder Besserungsanstalt unter— 
zubringen ist, obliegt der Distriktsverwaltungsbehörde. 
Auf das Glaubensbekenntniß des Minderjährigen muß bei der Auswahl der Familie 
oder der Anstalt Rücksicht genommen werden. 
Art. 6. 
Die Aufhebung der Zwangserziehung erfolgt durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts. 
Das Vormundschaftsgericht hat die Zwangserziehung aufzuheben, wenn die Voraussetzungen 
der Anordnung weggefallen sind. Die Aufhebung kann unter dem Vorbehalte des Widerrufs 
beschlossen werden. Vor der Entscheidung ist die Distriktsverwaltungsbehörde zu hören. 
Der die Zwangserziehung aufhebende Beschluß ist der Distriktsverwaltungsbehörde be- 
kannt zu machen. Dieser steht die sofortige Beschwerde mit aufschiebender Wirkung zu. 
Auch ohne Anordnung des Vormundschaftsgerichts ist die Distriktsverwaltungsbehörde 
berechtigt, die vorläufige Entlassung aus der Zwangserziehung zu verfügen. 
Ueber das achtzehnte Lebensjahr des Minderjährigen hinaus soll die Zwangserziehung 
nur in besonderen Fällen fortgesetzt werden. 
Art. 7. 
Die Distriktsverwaltungsbehörde hat von der Unterbringung und von der vorläufigen 
Entlassung dem Vormundschaftsgerichte und von der Unterbringung in einer Familie auch 
dem Gemeindewaisenrathe Kenntniß zu geben. 
Der Gemeindewaisenrath hat über die Erziehung der in Familien untergebrachten Min- 
derjährigen, auch wenn sie nicht unter Vormundschaft stehen, zu wachen und auf Erfordern 
der Distriktsverwaltungsbehörde Auskunft zu ertheilen, sowie dieser auch unaufgefordert etwaige 
Mängel anzuzeigen. 
Der Gemeindewaisenrath kann zu diesem Zwecke die Mitwirkung der Waisenpflegerinnen 
in Anspruch nehmen.
	        
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