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Das Endurtheil des K. Amtsgerichts Kaufbeuren vom 15. Juni 1900 gab der Klage
in vollem Umfange statt; auf Berufung des Rechtsanwalts Heichlinger wurde jedoch das
erstrichterliche Urtheil durch Endurtheil des K. Landgerichts Kempten vom 14. Mai 1901
aufgehoben und die Klage abgewiesen, indem hiebei begründend bemerkt wurde: Die in dem
Statute vom 11. Juli 1884 festgesetzten Rechte und Verpflichtungen seien öffentlichrecht.
licher Natur, denn sie stützten sich auf die in Art. 20 (nun 21) des Armengesetzes den
Gemeinden eingeräumte Befugniß, Krankenkassen nach Maßgabe dieser Gesetzesstelle zu er-
richten. Dießbezügliche Streitigkeiten seien aber gemäß Art. 43 Abs. 1 des Armengesetzes
von den Verwaltungsbehörden zu entscheiden. Die Klage sei daher, insoweit sie sich auf
§ 4 des bezeichneten Statuts stütze, als unzulässig, im Uebrigen aber als unbegründet ab-
zuweisen.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli stellte hierauf Rechtsanwalt Friemann in Memmingen
als bevollmächtigter Vertreter der Gemeinde Osterzell den Antrag:
es wollen die gesammten Akten dem Gerichtshofe für Kompetenzkonflikte vorgelegt
werden behufs Entscheidung über den vorliegenden verneinenden Zuständigkeitsstreit.
Zugleich wurde in diesem Schriftsatze „ausdrücklich bemerkt, die Gemeinde Osterzell
stütze ihren Ersatzanspruch gegen Pankraz Hailand nunmehr ausschließlich darauf, daß
2c. Hailand es, entgegen der Bestimmung des Ortsstatuts vom 4. Juli 1884, unter-
lassen hat, seinen Dienstboten Kaver Eberle ordnungsgemäß zur Krankenkasse anzumelden
und die statutengemäßen Krankenkassebeiträge für denselben zu entrichten“.
Abschriften dieses Antrags gingen dem Mühlenbesitzer Hailand sowie dem K Be-
zirksamte Kaufbeuren zu; diese Behörde gab unter'm 3. September 1901 eine Erklärung
an das K. Amtsgericht Kaufbeuren ab, in welcher bemerkt ist, daß die in den Gründen
des bezirksamtlichen Beschlusses vom 15. April 1899 niedergelegte Anschauung, wonach
zur Würdigung des von der Gemeinde Osterzell gegen Mühlenbesitzer Hailand geltend
gemachten Erstattungsanspruchs die Civilgerichte zuständig seien, nicht haltbar sein dürfte,
da Rechtsnormen, wie die in § 4 des Ortsstatuts der Gemeinde Osterzell vom 4. Juli 1884
statuirte Erstattungsverbindlichkeit des meldesäumigen Arbeitgebers nur auf dem Boden des
öffentlichen Rechts bestehen könnten und demnach den Verwaltungsbehörden die Entscheidung
dießbezüglicher Streitigkeiten zukommen werde.
Seitens des K. Amtsgerichts Kaufbeuren wurden die Akten, nachdem Abschriften der
Erklärung des K. Bezirksamts Kaufbeuren den Parteien mitgetheilt worden waren, an den
Staatsanwalt bei dem Gerichtshofe für Kompetenzkouflikte eingesendet.
Bei der heutigen mündlichen Verhandlung, zu der die Parteien geladen, jedoch nicht
erschienen waren, hielt zunächst der Berichterstatter Vortrag über die bisherigen Verhandlungen,
wobei er die erheblichen Schriftstücke verlas.