Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1902. (29)

Der Generalstaatsanwalt stellte und begründete den Antrag, die Erhebung des Kom— 
petenzkonflikts für unzulässig zu erklären. 
Diesem Antrage war zu entsprechen. Nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes vom 
18. August 1879, die Entscheidung der Kompetenzkonflikte 2c. betreffend, liegt ein negativer 
Kompetenzkonflikt dann vor, wenn in einer Sache einerseits die Gerichte und anderseits die 
Verwaltungsbehörden oder der Verwaltungsgerichtshof durch Entscheidungen, welche nicht 
mehr anfechtbar sind, ihre Unzuständigkeit ausgesprochen haben. Zu prüfen ist daher vor- 
liegenden Falls, ob das Urtheil des K. Landgerichts Kempten vom 14. Mai 1901 sowie 
der Beschluß des K. Bezirksamts Kaufbeuren vom 15. April 1899 als Entscheidungen 
der vorerwähnten Art zu erachten sind. 
Was nun zunächst das Urtheil des K. Landgerichts Kempten vom 14. Mai 1901 
anlangt, so kann nicht zweifelhaft sein, daß durch dieses Urtheil die Unzuständigkeit des 
Gerichts ausgesprochen worden ist. In der Urtheilsformel wird nämlich die von der Ge- 
meinde Osterzell gegen Müller Hailand daselbst angestrengte Klage auf Ersatz der, durch 
die ärztliche Behandlung des Dienstbuben Kaver Eberle von Osterzell erwachsenen Auf- 
wendungen im Betrage von 197 J&¾ abgewiesen und zugleich in den — zur Feststellung 
der Tragweite des Urtheilssatzes heranzuziehenden Entscheidungsgründen (zu vgl. Seuffert, 
Civilprozeß, 8. Aufl. Bd. 1 S. 498, auch Gaupp-Stein, Civilprozeß, 5. Aufl. Bd. 1 
S. 722) — ausdrücklich bemerkt, daß diese Abweisung, insoweit die Klage auf § 4 des 
Statuts der Dienstbotenkrankenkasse Osterzell vom 4. Juli 1884 gestützt ist, um deßwillen 
auszusprechen war, weil zur Würdigung dieses Klagegrundes nicht die Gerichte, sondern die 
Verwaltungsbehörden als zuständig zu erachten seien. Das bezeichnete Urtheil stellt sich 
sonach (zu vgl. § 313 Ziff. 5 § 322 C. P. O.) jedenfalls als eine die Unzuständigkeit 
der Gerichte aussprechende „Entscheidung“ dar. 
Da ferner dieses Urtheil von Seite eines Landgerichts in der Berufungsinstanz erging 
und sohin gegen dasselbe ein weiteres Rechtsmittel überhaupt nicht gegeben war (zu pgl. 
§ 545 C. P. O.), so war dieses Urtheil zugleich von vorneherein „nicht mehr anfechtbar“ 
im Sinne des Art. 22 des Gesetzes vom 18. August 1879. 
Anders ist jedoch die Rechtslage bezüglich des Beschlusses des K. Bezirksamts Kauf- 
beuren vom 15. April 1899 zu beurtheilen. 
Zwar ist diesem Beschlusse die Eigenschaft einer „Entscheidung“ im Sinne des 
Art. 22 Abs. 1 des Gesetzes vom 18. August 1879 nicht ohne Weiteres schon deßhalb 
abzusprechen, weil die Behörde zur Zuständigkeitsfrage lediglich in den Entscheidungsgründen 
und nicht auch in der Beschlußformel Stellung genommen hat (zu vgl. v. Seydel, Bayer. Staats- 
recht, 2. Aufl. Bd. 1 S. 629—630, v. Kahr, Gemeindeordnung, Bd. 1 S. 138 Anm. 9 
und S. 516; Samml. des K. Verw.-Ger-Hofs Bd. XIV S. 376, Bd. XV. S. 205,
	        
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