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konflikts genügt, wenn eine von der Verwaltung für ihre Zuständigkeit in Anspruch ge—
nommene Sache bei einem Gerichte anhängig ist. Nicht ohne Bedeutung ist auch, daß der
entsprechende Art. 5 des Gesetzes über die Kompetenzkonflikte vom 28. Mai 1850 anders
lautete; er forderte für die Zulässigkeit der Erhebung des Kompetenzkonflikts nur, daß sich
das Gericht mit einer Sache befaßt hat. Die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Ent-
scheidungen des Kompetenzkonfliktsenats des Obersten Gerichtshofs, nach welchen die In-
anspruchnahme der Zuständigkeit durch das Gericht das Erfordernis für die Erhebung des
bejahenden Kompetenzkonflikts bildete, stützten sich nicht bloß auf den Wortlaut des Art. 1
(„Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden“), sondern namentlich auch
auf die Vorschrift des Art. 5, die dahin zu verstehen sei, daß das Gericht eine Handlung
vorgenommen haben muß, aus der zu erkennen ist, daß es sich für zuständig hält (Reg.-
Bl. 1873 S. 951 f., 969 f.). Hätte das neue Gesetz an diesem Erfordernisse festhalten.
wollen, so hätte es sicherlich eine mit dem Art. 5 des früheren Gesetzes übereinstimmende
oder eine andere gleichbedeutende Ausdrucksweise gewählt. Daß dies nicht geschah, sondern
der Art. 8 des neuen Gesetzes sich auf das Erfordernis der Anhängigkeit einer Sache beie
einem Gerichte beschränkt, mit dem sich der frühere Sinn unmöglich mehr verknüpfen läßt,
zeigt, daß die frühere Auffassung nicht mehr gelten soll. Daß dies die Absicht der Staats-
regierung bei der Ausarbeitung des Entwurfes des neuen Gesetzes war, erhellt auch aus
dem Art. 10 des Gesetzentwurfes; dieser lautete: „Wenn in einer Sache über die Zulässig-
keit des Rechtswegs Zweifel entstehen, so soll das Gericht vor seiner Entscheidung die Ver-
waltungsstelle um eine Erklärung ersuchen, ob der Kompetenzkonflikt erhoben werde.“ Hie-
nach sollte der Verwaltung Gelegenheit zur Erhebung des Kompetenzkonflikts gegeben werden
und dieser erhoben werden können, wenn das Gericht „Zweifel“ über seine Zuständigkeit
hat, also noch bevor es in der Frage seiner Zuständigkeit bestimmte Stellung genommen
hat. Die Vorschrift wurde allerdings in das Gesetz nicht aufgenommen, aber nur deshalb,
weil sie als mit der Würde des Gerichts nicht vereinbar angesehen wurde (Verhandlungen
der Kammer der Abgeordneten 1879, Beil.-Bd. 4 Beilage 266; Verhandlungen der
Kammer der Reichsräte Prot.-Bd. 2 S. 1108 f.). Es wurde zwar geltend gemacht, der
Berichterstatter der Kammer der Reichsräte habe bei der Beratung des Entwurfes geäußert,
die Grundzüge des alten Gesetzes seien in allen wesentlichen Beziehungen, nur mit verhältnis-
mäßig wenigen nicht prinzipiellen Modifikationen und mit Anpassung des Verfahrens an
die neuen reichsgesetzlichen Bestimmungen aufrechterhalten worden, und hieraus wurde ge-
folgert, der Berichterstatter sei der Meinung gewesen, daß die Erhebung eines bejahenden
Kompetenzkonflikts nach wie vor die Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch das Gericht
zur Voraussetzung habe. Allein wenn man dies auch zugeben wollte, steht damit doch noch
nicht fest, daß die Kammern des Landtags den Entwurf in einem anderen Sinne verstanden