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Beilage ll zum Gesetz= und Verordnungsblatte für das Königreich Bayern vom Jahre 1911.7)
Erkenntnis des Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte in dem zwischen dem Amtsgerichte Berchtes-
gaden und der Regierung von Oberbayern, Kammer des Innern, entstandenen Streit über die
Zuständigkeit für die Entscheidung über den Anspruch der Gemeinde Bischofswiesen gegen die
Austräglerin Marie Ponn von Ponnlehen in Stanggaß und Genossen auf Erstattung von Kurkosten.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte in dem zwischen dem Amtsgerichte Berchtesgaden
und der Regierung von Oberbayern, Kammer des Innern, entstandenen Streit über die
Zuständigkeit für die Entscheidung über den Anspruch der Gemeinde Bischofswiesen gegen
die Austräglerin Marie Ponn von Ponnlehen in Stanggaß und Genossen auf Erstattung
von Kurkosten:
Zuständig sind die Gerichte.
Gründe.
I. Am 5. August 1896 starb in Ponnlehen in Stanggaß, Gemeinde Bischofswiesen,
der ledige Schreiner Lorenz Ponn mit Hinterlassung eines Vermögens von etwa 2000 Mark.
Er wurde von seiner Mutter, der Austräglerin Marie Ponn, und seinen Geschwistern,
dem Dienstknechte Johann Ponn, dem Bauer Joseph Ponn, der Lokomotivführersfrau
Marie Schwaiger, der Bräumeistersfrau Therese Votz und dem Schlosser Kaspar Ponn
zu gleichen Teilen beerbt. Die Erben haben die Erbschaft unbedingt angetreten. Lorenz
Ponn war vor seinem Ableben in der Zeit vom 15. April bis 12. Juli 1896 im Distrikts-
krankenhaus Berchtesgaden untergebracht. Die hiedurch entstandenen Kosten zu 141 Mark
94 Pf. wurden von der Gemeinde Bischofswiesen eingefordert. Die Gemeinde zahlte den
Betrag und wandte sich wegen des Ersatzes an die vorbezeichneten Erben des Lorenz Ponn.
Da diese keine Zahlung leisteten, ließ die Gemeinde durch den Rechtsanwalt Pfahler in
Reichenhall Klage gegen sie zum Amtsgerichte Berchtesgaden erheben. Im Verhandlungstermine
vom 8. Februar 1901 beantragte der Vertreter der Klägerin die Verurteilung der Beklagten
zur Zahlung von 141 Mark 94 Pfennig samt 4% Zinsen seit dem 1. September 1897
und führte zur Begründung des Klagsanspruchs aus: Der verstorbene Lorenz Ponn, der
sich die letzte Zeit seines Lebens bei seinem Bruder Joseph Ponn aufgehalten habe, sei von
diesem als bei ihm beschäftigter landwirtschaftlicher Arbeiter Ende Januar 1896 zu der in
Bischofswiesen bestehenden Gemeindekrankenversicherung angemeldet worden und deren Mitglied
bis zum 1. April 1896 gewesen, da bis dahin die vorgeschriebenen Beiträge geleistet worden
*) Ausgegeben zu München am 22. Mai 1911.
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