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1 Eine wichtige gesetzliche Aufgabe, aber keine Pflichtaufgabe ist die vorbeugende Tätig-
keit (Art. 1 Ziff. 2). Hierher gehören einmal Maßnahmen im Einzelfalle, die den Eintritt
der Hilfsbedürftigkeit bei Personen verhüten sollen, die noch mit dem Notbedarf (Art. 2
Abs. II) versehen sind, aber auch Einrichtungen allgemeiner Natur, sofern sie den Zweck
haben, beim Eintritte gewisser Voraussetzungen persönlich zu helfen und dadurch die wirt-
schaftliche Selbständigkeit zu erhalten (z. B. Hergabe von Handwerkszeug, Bewilligung von
Vorschüssen, Bestreitung der Kosten des Umzugs an eine neue Arbeitsstätte, unentgeltliche
Bereitstellung oder Vermietung von Haustieren und Ackerland, ferner Errichtung von Kinder-
horten, von Suppenanstalten u. dergl.).
II Nicht zur vorbeugenden Tätigkeit der öffentlichen Armenpflege gehören Maßnahmen, die
ohne Beziehung auf einen Einzelfall und ohne Abstellung auf eine schon vorhandene oder
erst zu erwartende Hilfsbedürftigkeit allgemeine Vorsorge für eine unbestimmte Anzahl noch
unbekannter Fälle treffen mit der Absicht, die Lebensverhältnisse bestimmter Volksklassen
nicht sowohl aus Gründen der Armenpflege, als vielmehr aus anderweiten Gründen des
öffentlichen Wohles zu bessern (z. B. Säuglings= und sonstige Jugendfürsorge, Tuberkulose-
fürsorge, Wohnungsfürsorge, Lernmittelfreiheit).
II Leistungen der vorbeugenden Tätigkeit der Ortsarmenverbände fallen, weil es sich dabei
um eine gesetzliche Aufgabe handelt, nicht unter die einschränkenden Vorschriften der Gemeinde-
ordnungen Art. 159/91 Abs. I Ziff. 7. Solche Leistungen haben ferner für den Empfänger
nicht die Bedeutung und die Wirkungen öffentlicher Armenunterstützung. Sie begründen
auch keinen Erstattungsanspruch nach dem UWG. S#§ 28 und 30.
§ 5.
1 Die öffentliche Armenpflege darf einen Hilfsbedürftigen nicht lediglich deshalb abweisen,
weil er gegen andere Personen Unterhalts= oder Unterstützungsansprüche hat. Maßgebend
für das Eintreten der öffentlichen Armenpflege ist, ob dem Hilfesuchenden im Augenblicke
der Hilfsbedürftigkeit anderweitige Hilfe ausreichend zur Seite steht. Anderseits kann die
Armenpflege, namentlich wenn fortlaufende Unterstützung nötig ist, verlangen, daß der Hilfs-
bedürftige seine Ansprüche gegen andere Personen geltend macht oder die Erfolglosigkeit seiner
Schritte nachweist.
Unzulässig wäre es ferner, Hilfsbedürftige einfach an die freiwillige Armenpflege zu
verweisen. Der Hinweis auf die freiwillige Armenpflege in Art. 2 Abs. I will die öffent-
liche Armenpflege vor allem auf ihre Pflicht aufmerksam machen, sich durch regen und leben-
digen Verkehr mit den bestehenden Einrichtungen der privaten Wohltätigkeit zu vergewissern,
ob nicht diese im einzelnen Falle ausreichende Hilfe leisten oder leisten werden. Denn Hilfs-
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Zu Art. 2.