Zu Art. 3.
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bedürftigkeit im Sinne des Gesetzes ist ausgeschlossen, wenn sie durch das Eingreifen der
privaten Wohltätigkeit beseitigt wird. Im übrigen werden die großen und bedeutsamen
Aufgaben der freiwilligen Armenpflege und Wohltätigkeit durch das Armengesetz nicht be-
rührt. Dagegen ist das verständnisvolle Zusammenwirken beider Einrichtungen geeignet,
nicht nur die entsprechende Arbeitsteilung zwischen ihnen zu fördern, sondern auch die Nach-
teile zu verhüten, die durch planloses Nebeneinanderarbeiten vom wirtschaftlichen und vom
sittlichen Standpunkte zu befürchten sind.
§ 6.
! Nach Art. 2 Abs. III wird die Unterstützung des Unterhaltsberechtigten dem Unterhalts-
pflichtigen auch dann angerechnet, wenn die Unterstützung ohne oder gegen dessen Willen
gewährt worden ist. Stellt sich später heraus, daß der Unterhaltsberechtigte bei der Ge-
währung der Unterstützung nicht hilfsbedürftig war, so entfällt auch die in Abs. III aus-
gesprochene Anrechnung.
I Mit Rücksicht auf die Wirkungen der öffentlichen Armenunterstützung für den Unter-
haltspflichtigen ist dieser, wo es tunlich ist, von der Notwendigkeit des Eingreifens der
öffentlichen Armenpflege rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.
§ 7.
1 In welcher Weise im Rahmen des Art. 3 Abs. I— III im einzelnen Falle die Unter-
stützung zu gewähren ist, bleibt zunächst dem Ermessen der mit dem Gesetzesvollzug un-
mittelbar betrauten Behörde überlassen (vergl. auch Art. 32 Abs. I). Dies gilt insbesondere
auch von der Frage, ob die Hilfe durch Geld oder durch Sachbezüge (Lebensmittel, Kleider,
Heizstoffe) zu leisten ist. Sachleistungen werden sich insbesondere empfehlen, wenn zu
befürchten ist, daß der Hilfsbedürftige von der Geldunterstützung keinen entsprechenden Gebrauch
machen wird. Im übrigen bleibt es Zweck der heilenden Armenpflege, den Hilfsbedürftigen,
soweit möglich, wieder wirtschaftlich selbständig zu machen und nachhaltig zu befähigen,
wieder als werktätiges Mitglied der Gesellschaft seinen Unterhalt zu verdienen.
u Nach Art. 3 Abs. III ist bei der Unterbringung von Kindern zur Erziehung oder Aus-
bildung auf deren Glaubensbekenntnis bei der Auswahl der Familie oder der Anstalt Rück-
sicht zu nehmen. Diese Vorschrift entspricht dem Fürsorgeerziehungsgesetz Art. 9 Abs. II.
und ist in gleicher Weise zu vollziehen. Wo es deshalb aus besonderen Gründen untunlich
ist, das Kind in einer Familie oder Anstalt seines Bekenntnisses unterzubringen, muß
wenigstens die Teilnahme am Religionsunterricht und am Gottesdienste seines Bekenntnisses
sichergestellt werden.