Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1915. (42)

E. Staats- 
aufsicht und 
Entscheidung 
von Streit. 
Zu 
Art. 70—75. 
F. Armen= 
polizeilicher 
Arbeitszwang. 
Zu 
Art. 76—86. 
632 
Zweck einer wirksamen Wandererfürsorge erreicht werden kann. Die Staatsregierung behält 
sich vor, über die Beschaffenheit dieser Einrichtungen Richtlinien bekanntzugeben. 
§ 54. 
Durch die nach Art. 66 zugelassene Verwendung der Erträgnisse des Distriktsarmen- 
vermögens zu Zwecken der Vorbeugung soll den Distriktsgemeinden namentlich ermöglicht 
werden, die vorbeugende Tätigkeit ländlicher Ortsarmenverbände zu unterstützen. Die Distrikts- 
gemeinde wird beispielsweise mit Erfolg bei der Unterbringung gebrechlicher Kinder in Anstalten 
dann eingreifen können, wenn die Eltern zwar nicht hilfsbedürftig im Sinne des Armen- 
gesetzes, aber zur völligen Tragung der Kosten ohne übermäßige Belastung nicht imstande 
sind. Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Distriktsgemeinde auch sonst bei der Kinder- 
fürsorge tätig werden. 
§ 55. 
UÜber Beschwerden hilfesuchender Personen wegen Verweigerung der erbetenen öffentlichen 
Armennnterstützung ist im aufsichtlichen Verfahren (Art. 70, 71) zu entscheiden. 
56. 
1 Bei der Entscheidung über die Anwendung des Arbeitszwangs ist in jedem einzelnen 
Falle nicht nur sorgfältig zu erwägen, ob die Maßnahme notwendig und geeignet ist, die 
ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Armenverbandes hintanzuhalten, sondern es ist auch 
auf die Schonung des wirtschaftlichen Daseins und des berechtigten Selbstgefühls der be- 
troffenen Personen entsprechend Rücksicht zu nehmen. 
II Im übrigen wird in vielen Fällen schon die Androhung des Arbeitszwangs den Erfolg 
haben, daß der unterstützte Arbeitsscheue freiwillig die ihm angewiesene Arbeit verrichtet oder 
daß der säumige Nährpflichtige seiner Unterhaltspflicht nachkommt. 
§ 57. 
Als vorübergehende Umstände, welche die Unterbringung unzulässig machen (Art. 76 
Abs. IV Ziff. 1), kommen in Betracht: 
Krankheit, zeitige Arbeitslosigkeit, Arbeitseinstellung, Aussperrung u. dergl. 
Im übrigen genügt es für das Vorhandensein dauernder Hilfsbedürftigkeit, daß sich ein 
bestimmter naher Zeitpunkt, in dem das Unterstützungsbedürfnis aufhören wird, nicht ab- 
sehen läßt.
	        
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