Hardenberg und die Minister. 187
Hähnel, späterhin Frau von Kimsky genannt. Die abgefeimte Gaunerin
war dem Fürsten zuerst auf einem Zauberabend bei Wohlfahrt begegnet und
hatte durch ihre krampfhaften Verzückungen sein weiches Herz im Sturme
erobert.’') Seitdem ließ sie ihn nicht mehr los; sie wurde der Fluch seiner
alten Tage. Unerschöpflich in geheimnisvollen Krankheitserscheinungen und
in den Künsten sanfter Plünderung begleitete sie ihn überall, selbst zu den
Kongressen der Monarchen, und ruhte nicht bis auch seine dritte Ehe,
gleich den beiden ersten, tatsächlich getrennt wurde. Um dieselbe Zeit
vermählte sich des Staatskanzlers einzige Tochter, die geschiedene Gräfin
Pappenheim in überreifem Alter mit dem Virtuosen der eleganten Lieder-
lichkeit, dem jungen Fürsten Pückler-Muskau. Der schlechte Ruf des Har-
denbergischen Hauses bot den zahlreichen Spähern, welche Metternich in
Berlin unterhielt, reichen Stoff, allen Feinden des Staatskanzlers eine
gefährliche Waffe. Sie bemerkten schadenfroh, wie der König dem Staats-
manne, der seine weißen Haare so wenig achtete, kälter und fremder be-
gegnete; und da der betriebsame Koreff zuweilen auch als liberaler Schrift-
steller auftrat, so bildete sich am Hofe nach und nach das Parteimärchen,
Hardenbergs Verfassungspläne seien das Werk seiner anrüchigen plebeji-
schen Umgebung. Wenn ein Freund den Fürsten vor diesem Gesindel
warnte, dann erwiderte er lächelnd: „und wenn ich auch oft betrogen worden
bin, es ist ein so herrliches Gefühl Vertrauen zu erweisen."
Unter den Ministern besaß Hardenberg nur einen erklärten Gesin-
nungsgenossen, Boyen, und auch dieser dachte zu selbständig um der Führung
des Fürsten unbedingt zu folgen. Kircheisen bewährte sich bei der Orga-
nisation der Gerichte in den neuen Provinzen als trefflicher Fachmann
und blieb der großen Politik fern. Schuckmann dagegen, der Minister
des Innern, ein straffer Bureaukrat, tätig, sachkundig, herrschsüchtig, der
Philister der alten Zeit, wie W. Humboldt ihn nannte, stand allen Re-
formplänen ebenso argwöhnisch gegenüber wie der Polizeiminister Fürst
Wittgenstein, der Vertraute Metternichs. Wie viele Jahre hat der arglose
Hardenberg gebraucht, bis er die biedere Derbheit dieses schlauen Hof-
manns endlich durchschaute, der einst, durch den Sturz des Ministeriums
Dohna, ihm selber den Weg zur Macht geöffnet hatte und darum schon
der treuesten Freundschaft würdig schien. Dem Monarchen war Wittgen-
stein als geschickter Verwalter des königlichen Hausvermögens unentbehr-
lich; auch an den anderen deutschen Höfen stand er in hohem Ansehen,
bei allen fürstlichen Familienangelegenheiten zog man ihn zu Rate, und
sogar der eigenwillige Kurfürst von Hessen hörte zuweilen auf seine Rat-
schläge. Arglosen Beobachtern erschien der muntere alte Herr mit seinen
trivialen Späßchen sehr unschädlich, selbst ein so gewiegter Menschen-
kenner wie der alte Heim, der volksbeliebte erste Arzt Berlins, ließ sich
durch die gemütlichen Formen des Fürsten völlig täuschen und liebte ihn
*) Hardenbergs Tagebuch, Februar 1816.