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biete, zu berücksichtigen, daß eine mißbilligende Ansicht über Handlungen Einzelner oder
von Einzelnen aufgestellte Grundfätze nicht zu Beschuldigungen und Angriffen gegen ganze
Classen von Personen, ganze Stände oder gegen alle Mitglieder einer Religionsgesellschaft
berechtigt, und daher bei der Prüfung derartiger Aeußerungen ganz besonders die Bestim-
mungen §& 2 in Obacht zu nehmen.
10. Es darf nichts zum Drucke gelassen werden, was gegen Zucht, Sitte und dußern
Anstand ist. Wisenschaftliche und selbst populäre Belehrungen über die seruellen Verhält-
nisse und die sich darauf beziehenden Krankheiten sind an sich zulässig, dagegen aber Er-
zeugnisse der erotischen Literatur mit obsebner, lasciver, die Sinnlichkeit anregender und über-
haupt unsittlicher Behandlung der geschlechtlichen Verhältnisse zurückzuweisen.
11. Mit der Beobachtung vorstehender Vorschriften ist es um so genauer zu nehmen,
je größer und gemischter das Publicum ist, für welches eine zu censirende Schrift mhrer
Sprache und Form, sowie ihrem Tone nach bestimmt ist.
12. Eine besonders vorsichtige Behandlung ist anzuwenden bei Zeitungen, Zeit= und
Flugschriften, insonderheit politischen Inhalts, ingleichen bei Volks= und Jugendschriften.
Am wenigsten ist dagegen die Schreibefreiheit bei eigentlich gelehrten und wissenschaftlichen
Werken zu beschränken, besonders bei denen, welche in einer nur den Gelehrten und höher
Gebildeten verständlichen Sprache geschrieben sind, sowie bei Schriften, welche sich blos in
dem Gebiete wissenschaftlicher Forschung und ruhiger Erörterung halten.
Dagegen gehören unter die Gattungen von Schriften, bei deren Prüfung die Censo-
ren ganz besondere Vorsicht anzuwenden haben, auch alle Erzeugnisse der sogenannten Un-
terhaltungsliteratur, Romane, Novellen, Erzählungen, Schauspiele u. s. w.
13. Die Censoren haben, besonders auch in periodischen Blättern, den Abdruck aller
solcher Aeußerungen zu hindern, in welchen für sie erkennbare Injurien enthalten sind,
und worin Angriffe auf die Persönlichkeit und das Privatleben der Einzelnen vorkommen.
Aber auch Urtheile über irgend eine Art von öffentlicher Wirksamkeit dürfen nur dann ge-
druckt werden, wenn sie ohne Gehässigkeit, Leidenschaftlichkeit und Verletzung des Anstandes
geschrieben sind.
Diese Bestimmungen leiden namentlich auch auf Beurtheilungen der Wirksamkeit der
Kammermitglieder Anwendung. Aeußerungen über dieselben dürfen nicht über eine beschei-
dene Würdigung ihres öffentlichen Wirkens hinausgehend, gegen ihre Personen gerich-
tet sein.
Oeffentlichen Schuldmahnungen, es möge nun die Person des Schuldners mehr oder
minder deutlich bezeichnet sein, sowie überhaupt allen solchen Schriften, Artikeln und ein-
zelnen Stellen, in welchen Privat= und persönliche Angelegenheiten auf eine verletzende
und kränkende Weise zur Sprache gebracht werden, ist die Druckgenehmigung zu ver-
sagen.
14· Insofern es bei der Beurtheilung der Zulässigkeit einzelner Aeußerungen auf
Bekanntschaft mit solchen thatsächlichen Verhältnissen ankommt, welche ihrer Natur nach