68 DVes Veische Reich und seine einzelnen Slieder. (März 19.)
betreffs der deutschen Schulfrage berichtet, daß bald nach dem Wieder-
zusammentritt des ungarischen Reichstags der in der vorhergegangenen
Session bekanntlich unerledigt gebliebene Mittelschulgesetzentwurf einem
Ausschuß überwiesen worden wäre. Ein aus diesem gebildetes Subkomitee
hätte im Einvernehmen mit einem Regierungskommissar sich der Aufgabe
unterzogen, den Entwurf neu festzustellen. Das Ergebnis hätte die Zu-
scämung der Majorität des genannten Ausschusses gefunden und würde
chon in der allernächsten Zeit Gegenstand der Beratung im Plenum des
Hauses sein. Aus der Mitte der an der Frage in hohem Grade inter-
essierten siebenbürgischen Sachsen wären protestierende Stimmen laut ge-
worden, die auch in Deutschland gehört seien und bei dem Berliner Schul-
verein in Form einer Erklärung ihr akutes Echo gefunden hätten. Als
er, Herr v. Thielau, etwa Mitte Februar dem Kultusminister v. Trefort
bei einem Diner begegnete, hätte Se. Exzellenz ihn beiseite gerufen und
eäußert, daß ungarische Untertanen einen Ton anschlügen, als ob sie die
Hilfe des Deutschen Reiches zum Schutze ihrer Nationalität herbeirufen
müßten. Die ungarische Regierung würde ein Mißverstehen ihrer Ab-
sichten sehr beklagen. Hierauf hätte er, der Generalkonsul, dem Herrn
Minister erwidert, daß er zu diplomatischen Verhandlungen nicht berufen,
jedoch bereit sein würde, persönlich und vertraulich, wenn es gewünscht
würde, ihm seine Mitwirkung zu leihen. Aus der früheren Haltung der
kaiserlichen Regierung dürfte Se. Exzellenz wohl entnehmen, daß dieselbe
sich einer Stellungnahme zu einer inneren Frage in einem fremden und
noch dazu befreundeten Reiche enthalten würde. Bei einer späteren, auf
seine Anregung stattgefundenen abermaligen Unterredung wäre Herr v. Tre-
fort auch sachlich näher auf den Gegenstand eingegangen. Der Minister
hätte versichert, daß er nicht nur politisch, sondern gerade zur Beförderung
des Kulturelements den dauernden Anschluß an die deutsche Bildung für
Ungarn für unentbehrlich hielte. Als politisch einzig regierungsfähiger
Faktor in Ungarn sei das Magyarentum aus dem Kampfe hervorgegangen.
Wolle diese numerisch nicht überwältigende Nationalität die Stellung, zu
der sie einmal berufen, behaupten, so müßte an der Durchführung ihrer
Staatsidee auch festgehalten werden. Man stehe nicht nur Deutschland,
sondern auch Slawen und Walachen gegenüber. Der Mittelschulgesetz-
entwurf bezwecke das Aufsichtsrecht des Staates über die Gymnasien, die
gegenwärtig zum großen Teil lediglich von den Religionsgesellschaften ab-
hängen. Von diesem Gesichtspunkt aus sei die Teilnahme von Regierungs-
kommissaren bei den Maturitätsprüfungen und die Erteilung der Befähi-
gung zum Lehramte durch den Staat in Aussicht genommen. Außerdem
müsse der Staat verlangen, daß, wer zum Lehramt zugelassen werden soll,
der Staatssprache sich mächtig erzeige. Herr v. Trefort wäre über die
Erklärung, welche inzwischen von Herrn v. Bunsen und Genossen abgegeben
wäre, namentlich deshalb betroffen, weil sich auch hervorragende Gelehrte,
wie Gneist u. s. w., auf deren Urteil er viel halte, daran beteiligt hätten
— Randbemerkung des Fürsten Bismarck: „Professoren — das mildert
eher den Eindruck!“ (Große Heiterkeit.) — Im Laufe des Gespräches
hätte Herr v. Thielau wiederholt, was er politisch von der Sache dächte,
dann aber auch nicht verhehlt, daß, wenn er auch den Publikationen des
Berliner Schulvereins eine praktische Bedeutung nicht zuschriebe, er es doch
nicht überraschend finden könnte, wenn in Deutschland, und namentlich in
Kreisen, wo man auf das Wirken deutscher Geisteskräfte mit Recht stolz
sein dürfte, Schritte, die in ihrer Konsequenz doch zum Untergange eines
Fleckchens deutscher Kultur führen mußten, empfindlich berührten. Je
milder man in Ofen-Pest die Sache behandle, je weniger sei nach seiner