Verhalten der
Leichenfrau in
solchen Fällen.
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§6# 7. Außer der Herbeirufung eines Arztes oder Wundarztes liegt der Leichenfrau in allen
solchen Fällen (§ 5, 6) ob, dafür zu sorgen, daß die Leiche weder entkleidet, noch aus dem Bette
genommen werde, daß aber alles Festanliegende, wie Halsbinden, Hemdknöpfe, Mieder,
Gürtel, Röcke, Beinkleider, Strumpfbänder und dergleichen so schnell als möglich gelockert
werde. Im Bette muß die Leiche mit Kopf und Oberkörper schräg aufgerichtet und mit unbe-
decktem Gesichte liegen; das Zimmer muß in der kalten Jahreszeit mäßig erwärmt sein; an
die Füße und den Unterleib können Wärmflaschen und durchwärmte Tücher, welches beides
nach dem Erkalten mit neuerwärmten zu vertauschen ist, gelegt werden.
§# 8. Bis zur Ankunft des Arztes oder Wundarztes kann in solchen Fällen die Leichenfrau
der leblosen Person
a) ihren Namen oder sonst derselben bekannte Worte stark in's Ohr schreien lassen,
b) das Gesicht mit kaltem Wasser wiederholt bespritzen,
c) Arme und Füße mit Flanell trocken und stark reiben oder mit warmem Essig, welchem
etwas Branntwein zuzusetzen ist, waschen, die Fußsohlen aber mit einer in scharfen Essig ge-
tauchten Bürste stark und anhaltend reiben,
d) die Schläfe mit Kampferessig und Salmiakgeist (welchen zu solchem Zwecke die Leichen-
frau immer bei sich zu führen hat) bestreichen,
e) Salmiakgeist, Hoffmannsgeist und vergleichen unter die Nase halten,
1 auf die entblöste Herzgrube aus einem hoch gehaltenen Gefäße oder durch einen halb
verschlossen gehaltenen Trichter kaltes Wasser tropfenweise fallen lassen und dieses Verfahren
von Zeit zu Zeit wiederholen.
Bei allen diesen Versuchen muß die Leiche mit dem Kopfe erhöht liegen bleiben und darf so
wenig als möglich bewegt oder gerüttelt werden.
§ 9. Während dieser Behandlung muß die Leichenfrau darauf achten, ob sich Spuren
wiederkehrenden Lebens zeigen, wie etwa leichte Zuckungen im Gesichte, namentlich an den
Mundwinkeln und Augenliedern, Poltern im Unterleibe, Abgang von Blähungen, vermehrte
Wärme in der Herzgrube und in den Handtellern und dergleichen, auch kann sie zu diesem
Zwecke der Leiche
a) eine Untertasse oder einen etwas tiefen Teller auf die Brust setzen und darauf achten,
ob das Wasser, nachdem es zur Ruhe gekommen, sich auf der Oberfläche etwas bewegt,
b) einen vorher trocken abgewischten Spiegel oder einen reinen zinnernen Teller vor den
Mund halten und auf das Anlaufen dieser Gegenstände achten,
c) eine Flaumfeder vor den Mund halten, um zu sehen, ob sich dieselbe bewegt,
d) die untere Kinnlade etwas von der obern abwärts gegen die Brust ziehen, um zu sehen,
ob sich dieselbe von selbst wieder nach oben zieht.
§ 10. Aller anderen Versuche bei einer solchen Leiche hat sich die Leichenfrau gänzlich zu
enthalten; sie darf aber auch nicht zulassen, daß von anderen Personen etwas an der Leiche vor-