Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1872. (38)

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und darf die Kreißende nicht mehr verlassen, bis einige Stunden nach Beendigung der 
Geburt verstrichen sind, und die Gefahr einer zu starken Nachblutung vorüber ist. 
8 21. So lange die Hebamme bei der Gebärenden und der Leibesfrucht alles im 
regelmäßigen Zustande findet, hat sie der Kreißenden, soweit nöthig, blos Muth ein- 
zusprechen, durch vorsichtiges, nicht unnöthig häufiges Zufühlen sich von den fort- 
schreitenden Veränderungen zu überzeugen, die Kreißende zur rechten Zeit auf das 
Geburtslager zu bringen, sie nicht vorzeitig zur Verarbeitung der Wehen aufzumuntern 
und sonst bei der Unterstützung des Dammes, der Empfangnahme des Kindes, dem 
Abnabeln desselben und der Entfernung der Nachgeburt alles das genau zu beobachten, 
was ihr das Lehrbuch vorschreibt. 
§22. Bemerkt sie aber etwas Ungewöhnliches, von dem natürlichen Verlaufe 
einer regelmäßigen Geburt Abweichendes, so hat sie Solches sofort dem Ehemanne oder 
den nächsten Angehörigen der Kreißenden mit guter Art zu dem Zwecke zu eröffnen, 
daß ohne ferneren Zeitverlust ein Geburtshelfer herbeigerufen werde. 
Insbesondere hat dieß zu geschehen: 
1. wenn bei sonst regelmäßiger Geburt der vorliegende Kopf der Frucht, nachdem 
der Muttermund ringsum ganz zurückgezogen und das Fruchtwasser abgeflossen ist, 
eine Stunde lang ohne vorzurücken stehen bleibt, 
2. wenn sie erkannt hat, daß der Steiß, die Kniee oder die Füße der Frucht vor- 
liegen, 
3. wenn sie eine fehlerhafte Fruchtlage findet, oder diese, weil sie innerlich keinen 
vorliegenden Fruchttheil fühlt, mit Wahrscheinlichkeit annehmen muß, 
4. wenn sie den Vorfall eines Armes oder des Nabelstranges neben dem Kopfe 
wahrnimmt, und ein Versuch, den Arm, bez. den Nabelstrang zurückzubringen, ihr nicht 
gelingt, 
5. wenn zwei Stunden nach völliger Erweiterung des Muttermundes und nach 
Abfluß des Fruchtwassers verstrichen sind, ohne daß die Wehen sich verstärkt haben, 
6. bei Gebärmutterblutflüssen während der Geburt oder nach der Geburt des 
Kindes, 
7. bei allgemeinen Zuckungen, übermäßigen Erbrechen, fieberhaften und anderen 
Krankheiten der Gebärenden, 
8. wenn bei Schwangern, Gebärenden oder Wöchnerinnen anscheinend oder wirk- 
lich plötzlicher Tod eintritt. 
Bis zur Ankunft des Arztes darf die Hebamme nichts verabsäumen, was in diesen 
Fällen zu thun ihr nach den Vorschriften des Lehrbuchs obliegt.
	        
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