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stelle mit den erforderlichen Lagerutensilien (mindestens Strohsack, Kopfkissen und Decke)
ausgestattet sein. Sicherung der Fenster durch Latten oder Läden ist unerläßlich; des-
gleichen Vorkehrungen zur ausreichenden Lüftung.
7. Länger als zwei bis drei Tage darf der ununterbrochene Aufenthalt des Kranken
im geschlossenen Locale in der Regel nicht dauern; ist bis dahin seine Ueberführung
an einen geeigneteren Ort nicht zu ermöglichen, so ist ihm wenigstens der Genuß der
freien Luft und Bewegung im Freien nicht länger vorzuenthalten.
8. Das Aufbewahrungszimmer selbst ist reinlich zu halten und aus demselben
Alles zu entfernen, womit der Kranke Anderen oder sich gefährlich werden könnte, ins-
besondere schneidende und sonstige Instrumente, Bindfaden und Stricke, und ist darauf
hin auch der Kranke selbst bei seiner Verwahrung genau zu untersuchen.
9. Wie auf Reinlichkeit des Locals, so ist auf die Reinhaltung des Kranken selbst
(Waschen, Kämmen, Rasiren rc.) gewissenhaft zu achten und etwaiges Widerstreben mit
Geduld zu überwinden.
10. Ist der Kranke nicht besonders erregt, zeigt sich seine geistige Störung vor-
nämlich in Verübung von Unsittlichkeiten, Eigenthumsvergehen und dergleichen, so be-
darf es zwar nicht der steten Anwesenheit eines Wächters, vorausgesetzt, daß das Local
zweckmäßig hergerichtet und sicher verwahrt ist, doch aber öfteren Begehens desselben.
Befindet der Kranke sich hingegen in einem mehr oder minder tobsüchtigen Zustande
oder ist er epileptisch, so sind ihm je nach Umständen ein bis zwei zuverlässige Wächter
beizugesellen. Eine größere Anzahl solcher Hilfspersonen zu verwenden, wäre unzweck-
mäßig; es würde dies nur zur größeren Aufregung des Kranken beitragen. Ebendes-
halb ist auch jeder Zutritt Unberufener streng zu untersagen.
Bei weiblichen Irren muß die Ueberwachung durch eine zuverlässige Frauens-
person ausgeführt werden, der nur im Notbfalle zur Hilfleistung ein Mann beigegeben
werden darf.
11. Es ist zu beachten, daß gemeingefährliche Handlungen Irrer sehr häufig
nur vorübergehende Ausbrüche eines krankhaften Seelenzustands darstellen und von
einem verhältnißmäßig ruhigen und harmlosen Verhalten gefolgt sind, wo dann un-
beschadet der Fortsetzung sorglicher Aufsicht gewaltsame Repressivmaßregeln überflüssig
und zweckwidrig wären.
12. Aber auch einem dauernd erregten und gewaltthätigen Kranken gegenüber
hat man sich zu vergegenwärtigen, daß ihm durch ruhiges, festes Entgegentreten und
freundlichen Zuspruch, unterstützt von passenden medicamentösen Mitteln, viel eher bei-
zukommen ist, als durch heftiges Zufahren und gewaltsame Bändigung und daß durch
übereilte Anwendung mechanischer Beschränkungsmittel mehr geschadet, und zu lärm-
und zornmüthiger Opposition des Kranken Veranlassung gegeben wird.
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