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Gesetz- und Verordnungsblatt
für das Königreich Sachsen.
12. Stück vom Jahre 1875.
92. Gesetz,
einige Abänderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und damit in Zusammenhang
stehende Bestimmungen enthaltend;
vom 5. November 1875.
Wan, Albert, von GOTTES Gnaden König von Sachsen
2. 2.e 20.
verordnen aus Anlaß des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und
die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (Seite 23 fg. des Reichs-Gesetzblattes vom
Jahre 1875) mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, was folgt:
& 1. Das Verlöbniß fordert zu seiner Giltigkeit, daß diejenigen Personen ein-
willigen, deren Einwilligung es zur Eheschließung bedarf.
Bedarf es bei keinem der das Verlöbniß schließenden Theile der Einwilligung des
ehelichen Vaters oder der Mutter und tritt auch nicht der in § 31, Satz 1 des Reichs-
gesetzes vom 6. Februar 1875 angegebene Fall ein, so ist das Verlöbniß nur giltig,
wenn es in Gegenwart von zwei Zeugen oder vor Gericht geschlossen worden ist.
6#2. Ein Verlöbniß, welchem ein gesetzliches Hinderniß entgegensteht, hat die recht-
liche Wirkung eines giltigen Verlöbnisses für den Verlobten, welcher das Hinderniß
nicht kennt, so lange dies der Fall ist.
§ 3. Echen, welche gegen die Vorschriften in § 33 unter 1 bis 4 und in § 34 des
Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 geschlossen werden, sind nichtig, wenn sie der
Richter dafür erklärt. Der Richter hat amtswegen einzuschreiten und kann im Falle
dringender Wahrscheinlichkeit des Nichtigkeitsgrundes die Treunung der Ehegatten schon
vor der Nichtigkeitserklärung verfügen; auch können die Ehegatten, nachdem sie das ihrer
Ehe entgegenstehende Hinderniß erfahren haben, das eheliche Zusammenleben einstellen.
§& 4. Wird die Ehe mit einer des Vernunftgebrauchs beraubten Person geschlossen,
so kann der Vormund dieser Person die Ehe anfechten.
1875. 50