Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1882. (48)

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Ziel beider Tertien: richtige und klare Auffassung des Gelesenen und Gehörten; 
correcte und geordnete schriftliche und mündliche Wiedergabe. 
In Unter= und Obersecunda 2 Stunden woöchentlich: 
Fortsetzung der früheren Uebungen im Deelamiren, freien Vortragen, Disponiren 
und in der Lectüre größerer neuhochdeutscher Dichtungen. In Obersecunda Einführung 
in die Literatur des Mittelalters, unter Vorführung einzelner Stücke, insbesondere 
aus den Nibelungen, nach dem Grundtexte. Der Unterricht im Mittelhochdeutschen 
ist auf Obersecunda zu beschränken, das Grammatische in diesem Unterrichte vorzugs- 
weise an den Lesestücken zu entwickeln. 
Was von Poetik, Stilistik und Rhetorik zu geben ist, wird in Anlehnung an die 
Lectüre und die Besprechung der schriftlichen Arbeiten mitgetheilt. 
Schriftliche Arbeiten: in Untersecunda drei, in Obersecunda zwei bis drei. Gelegent- 
liche poetische Versuche in diesen und den nächsten Klassen sind zu empfehlen. 
In Unter= und Oberprima 3 Stunden wöchentlich. 
Vervollständigung der Kenntniß der älteren deutschen Literatur, insbesondere aber 
Einführung in die classische Periode der Neuzeit. Lectüre classischer Werke aus der 
neueren poetischen und prosaischen Literatur. 
Uebungen im freien mündlichen Vortrage. 
In jedem Halbjahre zwei schriftliche Arbeiten. 
Für die Unter= und Mittelklassen ist in Fachconferenzen (8 3 der Ausführungs- 
Verordnung) mit den betreffenden Lehrern ein Canon der in den einzelnen Klassen zu 
memorirenden und weiterhin zu repetirenden deutschen Gedichte aufzustellen, wodurch 
aber das Aufgeben von einigen anderen Gedichten nach freier Wahl und eigenem 
Geschmacke der einzelnen Lehrer nicht ausgeschlossen wird. 
In den Oberklassen ist bei der Lectüre classischer Werke, besonders der dramatischen 
Literatur stets in Erinnerung zu behalten, daß es der Lehrer mit den dem eigenen 
Volksgeiste entsprungenen Schöpfungen zu thun hat. Es ist daher ein aus der Lectüre 
der griechischen und römischen Classiker herübergenommenes, Zeit und Interesse 
raubendes, das Ganze zerpflückendes Lesen und Erklären der Stücke von Satz zu Satz 
zu vermeiden, das Stück vielmehr partien(act)weise zur vorbereitenden Privatlectüre 
aufzugeben und nur an den schwierigsten Stellen im Einzelnen zu erläutern, vorzugsweise 
aber die Einführung in den Geist des Stückes, in die leitenden Ideen, die Oeconomie 
und den Aufbau des Ganzen zur Aufgabe des Unterrichts zu machen. Nur so wird 
auch in jedem einzelnen Semester die Lectüre mehrerer Stücke ermöglicht werden. 
&11. Am Schlusse des Gymnasialcursus muß das aus der Geschichte der deutschen 
Literatur gebotene Material angeeignet und dadurch die Schärfung des Urtheils und 
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Lehrziel.
	        
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