Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1893. (59)

Zeit der 
Prüfung, 
Anmeldung. 
Verwarnung 
vor der 
Prüfung. 
— 54 — 
§61. Die Reifeprüfung findet regelmäßig einmal im Jahre in den letzten Wochen 
vor Ostern statt. Außerdem kann vor Michaelis eine außerordentliche Reifeprüfung mit 
solchen Schülern abgehalten werden, welche Ostern vorher wegen ungenügender Leistungen 
zurückgewiesen oder freiwillig länger als ein Jahr in Oberprima verblieben oder durch 
besondere Verordnung des Ministeriums der Anstalt für diesen Termin zur Prüfung 
zugewiesen worden sind. 
Um Zulassung zur Reifeprüfung haben die Schüler jedesmal vor Weihnachten, 
beziehentlich vor dem 1. Juli bei dem Rektor, je nach dessen Anordnung schriftlich oder 
mündlich, nachzusuchen. 
Längstens bis zum 15. Januar, beziehentlich 15. Juli hat der Rektor die Schüler, 
welche um Zulassung nachgesucht haben, in vorgeschriebener Weise bei dem Ministerium 
anzumelden. Vor Feststellung der Anmeldeliste hat eine Besprechung der Prüfungs- 
kommission über die wissenschaftliche und sittliche Reife der betreffenden Schüler und eine 
vorläufige Censirung derselben stattzufinden. Auf Grund der letzteren hat die Kommission 
darüber Beschluß zu fassen, ob einzelnen Schülern der Rücktritt von der Prüfung an- 
gerathen oder ein Antrag auf Zurückweisung derselben bei dem Ministerium gestellt werden 
soll. In die Anmeldeliste sind alle Schüler aufzunehmen, welche bis zum Abschlusse der- 
selben ihr Gesuch um Zulassung aufrecht erhalten haben. In dem begleitenden Berichte 
aber sind die von der Prüfungskommission bezüglich der Anzumeldenden gefaßten Beschlüsse 
mitzutheilen, auch nach Befinden Vorschläge wegen der Prüfungstage zu machen. An- 
träge auf Zurückweisung eines der Angemeldeten von der Prüfung können nur dann 
Beachtung finden, wenn sie von der Kommission einstimmig beschlossen, eingehend be- 
gründet sind und die Bedenken der Kommission nicht nur Schwächen in einzelnen Fächern, 
sondern zugleich die allgemeine geistige Reife des Angemeldeten betreffen. Daß die in 860 
gestellten Bedingungen von allen Anzumeldenden erfüllt sind, ist jedesmal ausdrücklich 
zu bezeugen, in dem § 48 Absatz 3 erwähnten Falle außerdem, daß der dort gegebenen 
Vorschrift genügt ist. 
62. Jede Täuschung durch Benutzung fremder Hülfe oder unerlaubter Hülfs- 
mittel bei Fertigung der Prüfungsarbeiten ist mit der sofortigen Zurückweisung von der 
ferneren Theilnahme an der Prüfung, dafern aber die Täuschung erst nach Beendigung 
der Prüfung entdeckt wird, mit der Verweigerung, beziehentlich Ungültigerklärung des 
Reifezeugnisses zu bestrafen. Auch kann im Falle eines bloßen Versuchs des Gebrauchs 
fremder Hülfe oder unerlaubter Hülfsmittel die Zurückweisung von der ferneren Theil- 
nahme an der Prüfung, beziehentlich die Verweigerung des Reifezeugnisses verfügt 
werden. 
Ein so Bestrafter kann, wenn er nicht wegen bloßen Versuchs bestraft wurde, nur
	        
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