Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1894. (60)

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Steuer geeignet sein würde, die wirthschaftliche Lage des Beitragspflichtigen in empfind— 
licher Weise nachtheilig zu beeinflussen. Obschon die Steuerfähigkeit sich nicht ausschließ— 
lich nach der ziffermäßigen Höhe eines Einkommens bestimmt und bei gleicher Ein— 
kommenshöhe je nach der sonstigen wirthschaftlichen Lage der Beitragspflichtigen sehr 
verschieden sein kann, so darf doch im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß zur 
Annahme verminderter Steuerfähigkeit im Sinne von § 13 des Gesetzes bei den geringeren 
Einkommen eher und in vermehrtem Grade ein Bedürfniß vorliegen wird, als bei höheren 
Einkommen, und daß dieses Bedürfniß sich mehr und mehr abschwächt, je mehr sich das 
Einkommen der Grenze von 5800 4 nähert. Der Umfang einer für geboten erachteten 
Steuererleichterung ist innerhalb der vom Gesetze gezogenen Grenzen nach dem Grade 
zu bemessen, in welchem die Steuerfähigkeit durch Verhältnisse der oben erwähnten Art 
beeinträchtigt wird. In Bezug auf die Beurtheilung dieser Verhältnisse ist im einzelnen 
noch Folgendes zu bemerken: 
Zu a. Eine außergewöhnliche Belastung durch den Unterhalt von Kindern und die 
Verpflichtung zur Unterhaltung armer Angehöriger kann nur angenommen werden, wenn 
an den Beitragspflichtigen durch die Erfüllung der Unterhaltsverbindlichkeit, auch wenn 
sie sich in angemessenen Grenzen hält und nicht über das den Verhältnissen des Beitrags- 
pflichtigen entsprechende Maß hinausgeht, im Vergleiche zu seinem Einkommen erhebliche 
Anforderungen gestellt werden, denen er nur durch außergewöhnliche Entbehrungen und 
Einschränkungen in seiner Lebenshaltung zu genügen vermag. 
Unzulässig ist es, den § 13 des Gesetzes schablonenhaft beim Vorhandensein einer 
gewissen Anzahl von Kindern anzuwenden; denn wenn auch eine verhältnißmäßig große 
Zahl von Kindern unter 14 Jahren oder von hülfsbedürftigen älteren Kindern vielfach 
eine besondere Belastung zur Folge haben wird, so braucht dies doch nicht nothwendig 
der Fall zu sein, und es ist solche besondere Belastung nach Befinden dann nicht an- 
zunehmen, wenn die Ehefrau oder die Kinder oder sonstige Hausgenossen des Steuer- 
pflichtigen zu den Kosten seines Haushalts beitragen oder ihn in seiner Erwerbsthätigkeit 
unterstützen. 
Um eine Berücksichtigung wegen der Unterhaltung armer Angehöriger zu begründen, 
ist nicht erforderlich, daß eine rechtliche Verpflichtung hierzu vorliegt; es genügt vielmehr 
eine zweifellose moralische Verpflichtung. 
Zu b. Andauernde Krankheit kommt nur unter der Voraussetzung in Betracht, daß 
sie den Beitragspflichtigen zu besonderen außergewöhnlichen Aufwendungen genöthigt 
oder ihn in seinen Erwerbs= und Wirthschaftsverhältnissen zeitweise zurückgebracht hat. 
Ob die Krankheit den Beitragspflichtigen selbst oder Familienglieder betroffen hat, ist für 
die Berücksichtigung dieses Umstands gleichgültig. 
1894. 23
	        
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