§ 164. Ist Verletzung von Forderungen und Eigentumsansprüchen ein Delikt? 689
gegen A. der sechsmonatigen Verjährung zum Trotz siegreich durchdringen wird. II. 1. C.
hat der siebzehnjährigen D. mit Genehmigung ihres Vaters E. Stoffe zum Besticken gegen
Lohn ins Haus mitgegeben; die D. verdirbt dabei den Stoff durch grobe Ungeschicklichkeit.
Hier liegt auf seiten der D. gleichfalls eine Vertragsverletzung und ein gewöhnliches Delikt
vor. Doch kann C. Ansprüche aus dem Delikt nicht erheben und insbesondre den E. selbst
dann nicht haftbar machen, wenn er die Aufsicht über seine Tochter ganz vernachlässigt hat.
2. Anders wenn die D. den Stoff absichtlich verdorben hätte: denn dann läge auf ihrer
Seite außer der Vertragsverletzung noch eine Schutzgesetzverletzung (Str GB. 303) vor.
2. Die Rechtswirkungen eines gewöhnlichen Delikts versagen ferner, wenn
das Delikt in Ansehung einer Sache von deren Besitzer gegenüber dem Eigen-
tümer der Sache oder einem Nießbraucher oder Pfandgläubiger begangen wird,
es sei denn, daß er den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder durch eine
strafbare Handlung erlangt hat. Denn auf ein solches Delikt kommen ledig-
lich die für den Eigentumsanspruch geltenden Regeln und nicht die für ge-
wöhnliche Delikte geltenden Vorschriften zur Anwendung (s. 992, 1065, 1227).17
Beispiel. A. hat von B. ein Haus samt Garten gemietet; der Garten gehört aber nicht
dem B., sondern dem C., und B. war zu seiner Vermietung nicht befugt; A. könnte dies
auch recht gut wissen; er hat sich indes fahrlässigerweise um die Frage nicht gekümmert:
jedoch ist seine Fahrlässigkeit nur eine leichte; als C. nachträglich sein Eigentum geltend
macht und Herausgabe des Gartens von A. fordert, stellt sich heraus, daß A. den Garten
durch allerlei eigenmächtige Anderungen wesentlich verschlechtert hat. Hier kann C. auf
Grund seines Eigentumsanspruchs von A. keinen Ersatz verlangen, weil A., da seine Un-
kenntnis von dem Eigentum C.s keine grobfahrlässige war, als gutgläubiger Besitzer des
Gartens gilt. Ebensowenig kann er aber den A. wegen fahrlässiger Beschädigung seines
Eigentums deliktisch haftbar machen.
2. Bie Belikte im einzelnen.
8 165.
Die Zahl der einzelnen Deliktsarten ist unübersehbar groß. Es kann
deshalb im folgenden nur auf solche Einzeldelikte eingegangen werden, für die
gesetzliche Sonderregeln — sei es zur Ergänzung, sei es zur Abänderung der
allgemeinen deliktsrechtlichen Normen — aufgestellt sind oder deren rechtliche
Regelung auf Zweifel stößt.
I. 1. Die Tötung eines andern ist stets gewöhnliches Delikt, wenn sie
unerlaubt und schuldhaft vorgenommen ist (823 1). Der Tatbestand der delik-
tischen Tötung fällt deshalb im ganzen mit dem der strafbaren Tötung —
Mord, Totschlag, Körperverletzung, Zweikampf mit tödlichem Ausgange
usw.1 — zusammen (s. aber oben S. 681 II).
2. Die Rechtswirkung der Tötung ist dadurch ausgezeichnet, daß die
Person des Ersatzberechtigten und der Inhalt seiner Ansprüche abweichend von
den allgemeinen deliktsrechtlichen Normen bestimmt ist.
a) Ersatzberechtigt ist nämlich zunächst, wer für die Kosten der Beerdigung
17) Prym in der S. 6751 genannten Schrift.
1) RE. 66 S. 252. M. Rünmelin, Arch. f. ziv. Pr. 90 S. 241. Abw. v. Liszt S. 29.
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 41