Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1904. (70)

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& 7. Die Leichenfrau ist außer den Fällen des § 6 verpflichtet, einen Arzt, falls 
ein solcher noch nicht zugegen war, herbeizurufen und, sofern dies die Angehörigen nicht 
zugeben wollen, der Ortsbehörde Anzeige zu machen: 
1. wenn die als tot bezeichnete Person bei anscheinend guter Gesundheit oder nach 
nur leichtem Kranksein, ohne eine bekannte Ursache, oder infolge von Schreck, Ärger oder 
einer anderen heftigen Gemütsbewegung, oder nach starkem Blutverlust, oder während 
eines Krampfanfalls oder einer Ohnmacht, oder alsbald nach einem Schlaganfall, oder 
nach übermäßigem Essen und Trinken oder langem Hungern und Dursten oder nach einer 
starken körperlichen Anstrengung oder infolge der Einwirkung starker Hitze unerwartet 
schnell hingeschieden ist; 
2. wenn bei dem angeblich Verstorbenen noch eine Spur von Atemholen oder Herz— 
schlag und Puls sichtbar oder fühlbar ist, der Körper sich noch verhältnismäßig warm 
anfühlt, die Hautfarbe, namentlich im Gesicht, noch frisch, nicht blaß und nicht schmutzig 
bleich, und das Gesicht noch voll, nicht eingefallen erscheint, das Auge noch nicht zurück- 
gesunken ist und noch einigen Glanz zeigt, die Gliedmaßen noch völlig biegsam sind und 
die Körperstellen, die auf einer harten Grundlage aufliegen, sich nicht plattgedrückt haben. 
g 8. Vermutet die Leichenfrau Scheintod oder hat sie überhaupt einen Zweifel, daß 
der Tod wirklich eingetreten ist, so liegt ihr außer der Herbeirufung eines Arztes ob, 
dafür zu sorgen, daß bei dem anscheinend Verstorbenen die Kleidungsstücke überall da, 
wo fie einzelne Körperteile beengen, möglichst gelockert und geöffnet werden und daß, 
wenn der Hals mit einem Strick, einer Schnur, einem Tuch usw. umschnürt ist, dieser 
Gegenstand sofort beseitigt oder durchschnitten wird, sowie daß der Körper, außer bei 
Erfrorenen, mit durchwärmten Decken und Tüchern bedeckt und an die Füße Wärm- 
flaschen gelegt werden, das Gesicht aber unbedeckt bleibt, auch dem Raume, in dem sich 
die betreffende Person befindet, durch Offnen der Fenster in ausgiebigster Weise frische 
Luft zugeführt wird. 
(9. Ferner soll die Leichenfrau bis zur Ankunft des Arztes der leblosen Person 
wiederholt ihren Namen oder sonstige ihr bekannte Worte ins Ohr rufen lassen, das 
Gesicht und die Brust mit kaltem Wasser bespritzen, die Schläfe, Stirn und Herzgrube 
mit Essig oder Branntwein oder Hoffmanns Tropfen einreiben, den Körper und nament- 
lich die Füße mit wollenen Tüchern, mit warmem Esfig oder Branntwein und die Fuß- 
sohlen mit einer in Essig getauchten Bürste reiben, auf die Herzgrube, die Waden und 
Fußsohlen in Wasser getauchtes Senfpapier oder aus Essig, lauem Wasser und Senfmehl 
oder Meerrettig bereitete Teige legen, Salmiakgeist oder Hoffmanns Tropfen und der- 
gleichen unter die Nase halten und den Gaumen mit einem Federbart kitzeln. Ertrunkene 
find, indem ihnen ein Arm unter die Stirn gelegt wird, einige Minuten auf das Gesicht
	        
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