Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1911. (77)

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§ 8. Vermutet die Leichenfrau Scheintod oder hat sie überhaupt einen Zweifel, 
daß der Tod wirklich eingetreten ist, so liegt ihr außer der Herbeirufung eines 
Arztes ob, dafür zu sorgen, daß bei dem anscheinend Verstorbenen die Kleidungs- 
stücke überall da, wo sie einzelne Körperteile beengen, möglichst gelockert und ge— 
öffnet werden und daß, wenn der Hals mit einem Strick, einer Schnur, einem 
Tuch usw. umschnürt ist, dieser Gegenstand sofort beseitigt oder durchschnitten wird, 
sowie daß der Körper, außer bei Erfrorenen, mit durchwärmten Decken und Tüchern 
bedeckt und an die Füße Wärmflaschen gelegt werden, das Gesicht aber unbedeckt 
bleibt, auch dem Raume, in dem sich die betreffende Person befindet, durch Offnen 
der Fenster in ausgiebigster Weise frische Luft zugeführt wird. 
§ 9. Ferner soll die Leichenfrau bis zur Ankunft des Arztes der leblosen 
Person wiederholt ihren Namen oder sonstige ihr bekannte Worte ins Ohr rufen 
lassen, das Gesicht und die Brust mit kaltem Wasser bespritzen, die Schläfe, Stirn 
und Herzgrube mit Essig oder Branntwein oder Hoffmanns Tropfen einreiben, den 
Körper und namentlich die Füße mit wollenen Tüchern, mit warmem Essig oder 
Branntwein und die Fußsohlen mit einer in Essig getauchten Bürste reiben, auf 
die Herzgrube, die Waden und Fußsohlen in Wasser getauchtes Senfpapier oder 
aus Essig, lauem Wasser und Senfmehl oder Meerrettig bereitete Teige legen, 
Salmiakgeist oder Hoffmanns Tropfen und dergleichen unter die Nase halten und 
den Gaumen mit einem Federbart kitzeln. Ertrunkene sind, indem ihnen ein Arm 
unter die Stirn gelegt wird, einige Minuten auf das Gesicht zu legen, damit aus 
Mund und Nase Wasser und Schlamm ablaufen kann; Erfrorene sind mit Schnee 
oder kaltem Wasser tüchtig abzureiben. 
Das beste Verfahren zur Wiederbelebung ist die Einleitung der künstlichen 
Atmung, doch soll dieses Verfahren nur von hierin geübten Personen, wie Kranken- 
pflegern, Samaritern usw., angewendet werden. 
§ 10. Während der Wiederbelebungsversuche muß die Leichenfrau darauf achten, 
ob sich Spuren wiederkehrenden Lebens zeigen, wie insbesondere leichte Zuckungen 
im Gesicht, Heben der Kinnlade, wenn diese etwas nach abwärts gezogen wird, 
Geräusche im Unterleib, Warmwerden des Körpers, wiederkehrender Pulsschlag und 
Atembewegungen, die daran zu erkennen sind, daß ein vor den Mund gehaltener 
kalter reiner Spiegel oder kalter reiner Zinnteller anläuft oder eine vor den Mund 
gehaltene Flaumfeder sich bewegt. 
Nach Ankunft des Arztes hat die Leichenfrau diesem über ihre Wahrnehmungen 
und das von ihr Vorgenommene zu berichten und sodann dessen Anordnungen 
genau zu befolgen.
	        
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