Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

112 Drittes Kapitel. 
Reichsverfassung über die formelle Bedeutung der Bezugnahme 
des Vertragsartikels keinen Zweifel. 
Die gegenwärtige Formulirung des 52. Verfassungs- 
artikels mit seiner Bezugnahme auf den Vertragsartikel fand 
sich ursprünglich lediglich in dem Würtembergischen Ver- 
fassungsvertrage, als die 4. Massgabe, unter welcher die Ver- 
fassung des Deutschen Bundes auf Würtemberg Anwendung 
findet. Der bairische Verfassungsvertrag bot unter III. $ 4. 
eine andere Formulirung, welche eine Bezugnahme auf jenen 
Vertragsartikel nicht enthielt, obwohl es keinem Zweifel 
unterliegt, dass die Absicht aller Betheiligten lediglich dahin 
ging, Baiern die nämlichen Rechte rücksichtlich der „freien 
und selbständigen Verwaltung seines Post- und’ Telegraphen- 
wesens“ wie Würtemberg zu gewähren. Die bairische For- 
mulirung wurde dabei — III. $7. — ausdrücklich „als ein in- 
tegrirender Bestandtheil der Bundesverfassung“ erklärt. Die 
formelle Uebereinstimmung beider Formulirungen ist erst im 
\Wege derReichsgesetzgebung durch das Gesetz, betreffend die 
Verfassung des deutschen Reiches, vom 16. April 1871 erfolgt 
und zwar dergestalt, dass die würtembergische Formulirung 
mit ihrer Bezugnahme auf den Vertragsartikel auch für Baiern 
Verfassungsgesetz wurde. 
Danach hat die Bezugnahme des Vertragsartikels in dem 
jetzigen Texte der Reichsverfassung nicht die Bedeutung‘einer 
— soviel Baiern betrifft nachträglichen — Anerkennung 
und Bekräftigung eines Vertrages als solchen, sondern die 
andere Bedeutung, den materiellen Inhalt des Vertragsartikels, 
wie er verfassungsgesetzlich abgeändert und erweitert ist, als 
verfassungsgesetzliche, nur im Wege der Verfassungsänderung 
zu verändernde Normen zu erklären. Die Bezugnahme der 
Verfassung ist nur ein verkürzter Ausdruck für die Einver- 
leibung der Bestimmungen des ursprünglichen Vertragartikels, 
insoweit und in der Weise, wie sie-noch jetzt gelten, in den 
Text der Verfassung — eine Verkürzung des Ausdruckes, 
welche freilich mehr der Bequemlichkeit der Redaktion als 
ihrer Präzision dient. Das dadurch begründete Bechtsver-
	        
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