Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 123
auch die „Gemeinschaft der Gesetzgebung und der Verwal-
tungseinrichtungen“ auf den Majoritätsbeschlüssen des Bun-
desrathes und beziehentlich zugleich des Zollparlamentes
beruhte, so empfingen diese doch ihre staatsrechtlich verbin-
dende Kraft erst.durch die Verkündigung der vertragschliessen-
den Staaten, zu der sie nur vertragsmässig verpflichtet waren.
Ein staatliches Exekutionsrecht der Gesammtheit bestand nicht.
Erst jetzt mit der Auflösung des Zollvereines in das
deutsche Reich, mit der deutschen Reichsverfassung ergreift
die Veränderung alle an dem Zollvereine betheiligten Staaten.
Der Artikel 40 enthält, wie der Wortlaut ergiebt, nicht
eine blose Anerkennung und Bestätigung. des Zollvereinigungs-
vertrages als solchen. Er giebt vielmehr eine doppelte Vor-
schrift. Zunächst die Vorschrift, dass die auf dem Zollver-
einigungsvertrage beruhenden Bestimmungen in Kraft bleiben
und zwar dergestalt, dass alle vertragsmässigen Kündigungs-
klauseln erlöschen und alle auf Abänderungen oder Auf-
hebungen jener zielenden vertragsmässigen Beliebungen der
deutschen Staaten fortan ausgeschlossen sind. Sodann die
andere Vorschrift, dass alle Abänderungen und Aufhebungen
jener. Bestimmungen rechtsgültig nur in den Formen ge-
schehen können, welche für die Willensbildung des Reiches
in der Verfassung vorgesehen sind. Damit ist aber auch zu-
gleich gegeben, dass alle jene Bestimmungen, wie die Formen
ihrer Weiterbildung und Aufhebung, so auch die Gewähr ihrer
Dauer und Durchführung empfangen nicht mehr durch den
Vertragswillen und die Vertragstreue der betheiligten Einzel-
staaten, sondern durch die verfassungsmässigen Gewalten des
Reiches. Kurz das rechtliche Resultat ist erzielt, dass die
Gesammtbheit der auf dem Zollvereinigungsvertrag beruhenden
Bestimmungen, unangesehn ihres vertragsmässigen Ursprunges,
in Normen von lediglich staatsrechtlicher Natur ver-
wandelt ist.
Selbstverständlich werden von dieser rechtlichen Um-
wandlung nicht berührt diejenigen Zollvereinsverträge,
welche nach a. 2 des Z. V. V. als „Anschlussverträge“ fort-