Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 139
genstände und ohne Rücksicht’auf das Steuersystem‘ der Ein-
zelstaaten neue Steuerquellen zu eröffnen. Es bedarf dazu
keiner Verfassungsänderung mit Ausnahme des Falles, wenn
es den drei süddeutschen Staaten in die Besteuerung des
Branntweines und Bieres eingreift, vielmehr genügt auf Grund
RV. a. 4 No. 2 die einfache Gesetzgebung. |
Allein auf der andern Seite ist die Kompetenz des Reiches
ausdrücklich in der angezogenen No. 2 beschränkt auf die
für die Zwecke des Reiches zu verwendenden
Steuern. Sie ist ausgeschlossen in Rücksicht auf alle nicht
an das Reich gezogenen, sondern für die Zwecke der Einzel-
staaten zu verwendenden Steuern im weitesten Sinne. Aus-
nahmen hiervon werden nur begründet entweder direkt durch
ausdrückliche verfassungsmässige Bestimmungen, wie die Be-
schränkungen, welche a..4 No. 9 für die Fluss- und sonstigen
Wasserzölle und a. 54 für die Seeschiffahrtsabgaben feststellt,
oder indirekt dadurch, dass eine auf andern Gebieten gewährte
Kompetenz des Reiches eine beschränkende Rückwirkung auf
das Steuerrecht der Einzelstaaten ausübt, wie dies z. B. in
Rücksicht auf die Wirkungen des Indigenätes, auf die Frei-
zügigkeit 28 geschieht.
In diesem Sinne und mit diesen Beschränkungen hat der
Grundsatz des a. 10 al. 2 des ZVV. die volle Anerkennung
der Reichsverfassung gewonnen. Der Grundsatz nämlich,
dass die innern Steuern eines jeden Staates von inländischen
Erzeugnissen, sowie die Kommunikationsabgaben an Chaussee-
abgaben, Pflaster-, Dammgeldern u. s. w. von der Gemein-
schaft ausgeschlossen sind und, sofern nicht Separatverträge
zwischen einzelnen Staaten ein Anderes bestimmen, dem
privativen Genusse der betreffenden Staatsregierungen vorbe-
halten bleiben.
Allein trotz der Anerkennung dieses Grundsatzes bezie-
hen sich gerade auf diese hervorgehobenen Abgaben eine
.——
28 Keine Doppelbesteuerung!